Ein Auftragswerk. Lutz Hübner hat sich darauf verlegt und trifft, mit seiner früher unter »Mitarbeit« geführten Ehefrau Sarah Nemitz als Co-Autorin, ein Bedürfnis. Seine Stücke werden viel gespielt, der große Erfolg aber hat sich erst mit dem Film »Frau Müller muss weg« von Sönke Wortmann eingestellt. Das Thema wird gesetzt, dramaturgisch solide konstruiert und mit pointierten Dialogen szenisch zugeschnitten. So auch in »Wunschkinder«: Marc ist 19 und hat sein Abitur geschafft, doch nur den Schein der Reife. Seit vier Monaten lungert er herum und hat »nichts gemacht, außer Party, Schlafen, Kiffen, Fernsehen, Kühlschrank leerfressen…«
So schlägt es ihm sein Vater Gerd um die Ohren, der, Ingenieur in einem weltweit tätigen Baukonzern, für die Ausbildung des Sohnes aus den Staaten zurückgekehrt ist und Heimweh nach Amerika hat. Mutter Bettine umsorgt den Filius derart beflissen, dass er, zu ihrem Kummer, sich eher ihrer Schwester Katrin, einer ehemaligen Rockerbraut und alleinerziehenden Mutter, anvertraut. Als sich Marc in die gleichaltrige Selma verliebt, ist er wie verwandelt und schmiedet Pläne. Gerd ist beindruckt von der Freundin, die das Abi nachholt, zwei Jobs hat und ihre psychisch angeschlagene Mutter Heidrun, Köchin in einer Kantine, unterstützt. Als Selma schwanger wird, eskaliert die Situation.
Übergriffiges Muttertier
Der Titel »Wunschkinder« meint weniger die ungewollte Schwangerschaft als die Vorstellungen der Eltern von ihren Kindern. Gerd tritt auch in der Familie als Manager von »Problemlösungsstrategien« auf, Bettine schwimmt als übergriffiges Muttertier zwischen Selbstanklage und Loslass-Angst. Wie die Eltern aus Egoismus und zur Selbstbestätigung dem Sohn und seiner Freundin jede Eigenständigkeit von vornherein absprechen, indem sie ihnen erst eine Abtreibung, dann eine Art Adoption durch die Großeltern aufoktroyieren wollen, stellt reichlich Diskussionsstoff bereit: Bevormundung und Kontrollzwang, die als Fürsorglichkeit daherkommen.
Die Uraufführung von Anselm Weber verzichtet auf Milieu und betont die szenische Versuchsanordnung. Lydia Merkel hat in den Kammerspielen eine mit grauen Plastikbahnen bespannte Bühne gebaut, die leicht ansteigt. Die Schauspieler sitzen auf Stühlen vor der Rückwand, von wo sie auf- und abtreten: Die Figuren gehen in den Problemen, die sie ›repräsentieren‹, restlos auf, und so bleibt es bei mehr oder weniger genauen Typisierungen. Maja Beckmann, als Gast nach Bochum zurückgekehrt, zeichnet Heidrun als kindlich verstörte Frau, die in der zu großen grauen Strickjacke, mit der sie kämpft, wie in der Welt, vor der sie sich fürchtet, verloren zu gehen droht. Als einzige erfüllt sie nicht nur einen Auftrag.