Die strahlenden Farben und die an Götterstatuetten erinnernden Formen der »Pavakathakali«-Handpuppen üben einen speziellen Reiz aus. Mit ihren grünen, teils weißen Gesichtern, ihren großen, für alles offenen Augen und roten Lippen wissen sie zu verzaubern. Trotzdem war diese Kunstform, die sich vor etwa 200 Jahren im Südwesten Indiens, im Bundesstaat Kerala, etabliert hat, in den 1960er Jahren in Vergessenheit geraten. Doch mittlerweile hat eine kleine Renaissance eingesetzt, an der Gopal Venu und das von ihm gegründete »Natana Kairali Center für traditionelle Kunst« Anteil haben.
Beim »Figurentheater der Nationen«, das in Bochum, Essen, Herne und erstmals in Hattingen stattfindet, präsentiert Gopal Venu seine von einer Erzählung aus dem »Mahabharata« inspirierte Produktion »Duryodhana Vadham« (Zeche 1, Bochum). Ein König verliert bei einem Würfelspiel alles und versucht daraufhin, seine Frau, seinen Bruder und sein Königreich zurückzuerlangen. Die archetypische Geschichte vom Guten, der den Tricks des Bösen erlegen ist, erwecken vier von einem Sänger und Percussion begleitete Spieler zum Leben. Ihre exakt choreografierten Bewegungen, die oft den langsamen, sanften Rhythmus des Gesangs spiegeln, um in dynamischen Ausbrüchen zu gipfeln, erinnern an klassische Tanztheaterarbeiten wie an chinesische Wuxiá-Filme.Neben Gopal Venu reisen noch zwei weitere Gäste aus Indien zur FIDENA. Das Schattentheater »Tolu Bommalata« blickt auf eine noch längere Tradition als das »Pavakathakali« zurück. Mit seinen lebensgroßen Lederpuppen, die hinter einer Leinwand bewegt werden, gehört es zu den ältesten indischen Theaterformen. In »Lanka Dahanam« (Prinzregenttheater, Bochum) erzählen K. Anjanamma und ihre Gruppe »Chaya Nataka Brundam« die Geschichte von der Entführung Sitas. Mit seinem Spiel von Licht und Farben bekommt das Schattentheater etwas Filmisches.
Auch Anurupa Roys Puppenspiel »About Ram« (Prinzregenttheater) handelt von der Entführung Sitas und Ramas Wunsch, sie zu befreien. Allerdings vermischt sie in ihrer Arbeit traditionelles Figurentheater mit digitalen Formen. So kommen Vergangenheit und Moderne zusammen und ermöglichen einen anderen, psychologischeren Blick auf die Figuren der Helden- und Göttersage.
Offiziell eröffnet wird die FIDENA am 4. Mai mit der ersten Eigenproduktion. Mit dem performativen Konzert »Moondog«, Koproduktion mit dem Schauspielhaus Bochum, erweist Festivalleiterin Annette Drabs dem US-Komponisten Louis Thomas Hardin, der in diesem Jahr 100. Geburtstag gefeiert hätte, Referenz. Hardin, der sich selbst Moondog nannte, hatte mehr als 20 Jahre lang als Straßenmusiker an ein- und derselben Ecke in Manhattan gestanden und seine Kompositionen gespielt.
Zu Höhepunkten des Festivals zählt neben Maarten Seghers neuer Arbeit »O or The Challenge of this particular Show was to have words ending in O« (Kammerspiele, Bochum) auch Yui Kawaguchis und Yoshimasa Ishibashis »Match Atria Extended« (Zeche 1). Vor dem Hintergrund projizierter 3D-Videos vollführt Yui Kawaguchi vollendete Tanzbewegungen, die u.a. das Ritual der japanischen Teezeremonie zitieren, währenddessen werden mittels »Heartbeat Units« ihre Herzschläge in die Hände der Zuschauer übertragen. So entsteht eine irritierende Verbindung. Die moderne Technik löst dabei Grenzen zwischen Künstlerin und Publikum auf; und auch die Übergänge vom Tanztheater zur Kunstaktion, vom Objekttheater zur Performance verflüssigen sich im Rhythmus des Herzschlags. (SAW)
4. bis 12. Mai 2016 an verschiedenen Spielorten