Text Dagny Moormann
Zwischen Elternsprechtag und Ikea-Besuch, so ließe sich die Stimmung beschreiben. Allerdings wird hier eine Containeranlage eröffnet. Über den graumarmorierten Bodenbelag von Modul 5B im Norden Düsseldorfs schieben sich Anwohner, Spaziergänger, Helfer und zwei Schulklassen. Beiläufig streichen sie mal mit der Hand über die Pantryküche oder die abwaschbare Wand, gucken sich die Zweiplattenkocher an, die Metallspinde und die Bäder. Der ein oder andere stellt den Stadt-Vertretern eine Frage oder macht ein Handyfoto.
»Gemütlich ist das nicht, aber okay«, sagt eine Schülerin. Fast zehn Anlagen nach dem sogenannten Düsseldorfer Modell haben die Flüchtlingsbeauftragten Miriam Koch und Birgit Lilienbecker vom Amt für Gebäudemanagement seit Herbst 2015 eingeweiht. Alle sind aufgebaut wie die Unterkunft an der Grünewaldstraße: Um WCs und Duschen für Alleinreisende sowie Wasch- und Kinderwagenraum herum sind u-förmig zwölf Wohncontainer angeordnet. Links für Familien, mit eigenem Bad und Pantryküche, rechts für Alleinreisende, die sich zu zehnt die Gemeinschaftsbäder und eine Küche am Ende ihres Flurs teilen. Über abschließbare Zwischentüren lassen sich Wohneinheiten miteinander verbinden, so dass Familien unterschiedlicher Größe zusammen wohnen können. »Wir haben diese Flexibilität gewählt, weil viele mit Kindern gekommen sind und wir vorher nicht wussten, wie sie zugewiesen werden«, erklärt Miriam Koch, und Birgit Lilienbecker fügt hinzu: »Es sollen reine Zweckgebäude sein, um den Designpreis haben wir nicht gekämpft.
«Viele Städte in NRW wussten erst einmal nicht wohin mit den Neuankömmlingen und hatten unterschiedlich gute Ideen. In einem halb verlassenen Dorf im rheinischen Tagebau-Revier kamen Flüchtlinge genauso unter wie in einem ehemaligen Aldi oder auf Fluss-Kreuzfahrtschiffen. Als vorbildlich gilt Wuppertal, wo rund 80 Prozent der Flüchtlinge in normalen Wohnungen leben und so schnell in den Alltag finden können. In Düsseldorf ist günstiger Wohnraum jedoch ohnehin knapp und anders als in Wuppertal der Leerstand nicht so hoch. Von den mehr als 5.000 Flüchtlingen kann die Stadt nun für die Zeit des Asylverfahrens 1.800 in den Modulanlagen unterbringen, wo sie anders als in den Zelten sich selbst etwas kochen, eine Tür hinter sich zumachen und sich mit ihrer Familie zurückziehen können. Mit Vorarbeiten hat der Aufbau drei, vier Monate gedauert.
»Wir mussten in unheimlich kurzer Zeit reagieren«, sagt Birgit Lilienbecker, »und brauchten etwas, das schnell auf- und wieder abgebaut ist.« Genau wie Miriam Koch das Amt der Flüchtlingsbeauftragen hatte auch sie erst im Februar 2015 die Koordination für die Unterbringung übernommen. Bis dahin war sie zuständig für Schul- und Sportbau bei der Stadt und die studierte Bibliothekarin Koch Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen. »Vielleicht war es sogar ein Vorteil, dass wir erst im Februar eingestiegen sind«, meint Lilienbecker.
Es gab kaum Strukturen für ihre Aufgaben, entsprechend pragmatisch nahmen sie mit ihren Ämtern Fahrt auf. Im März saßen sie nach dem Besuch einer Container-Anlage an der holländischen Küste schon im Auto und skizzierten den ersten Entwurf des Düsseldorfer Modells. »Wir haben uns einfach mal angeguckt, wie das so funktioniert, und das Gute übernommen, zum Beispiel die Küchenblöcke und abschließbaren Duschen«, erzählt Lilienbecker, deren Erfahrungen aus dem Schul- und Sportbau genauso einflossen wie jene, die sie parallel mit den Erstunterbringungen machten. »Und eine starre Zweierbelegung entlang endloser Flure wollten wir eben nicht«, sagt Miriam Koch. Zum einen wegen der vielen Familien. Zum anderen für ein besseres Miteinander. »Das hilft etwa schon bei Absprachen zur Reinigung«, sagt Koch. »Architektur kann zur Deeskalation beitragen«, fügt Lilienbecker hinzu, »zu den kleinen Räumen haben wir bei jeder Anlage große Außenflächen eingeplant, die wir im Frühjahr individuell nach Alters- und Sozialstruktur ausgestalten werden«.
Die Anlage an der Grünewaldstraße ist für 200 Menschen ausgelegt und umfasst drei einstöckige sowie einen zweistöckigen Wohnblock, in denen sich meist zwei Bewohner einen 16-Quadratmeter-Container teilen. Alle gruppieren sich nach dem Düsseldorfer Modell um einen Innenhof mit Spielplatz und Sitzbänken. Dazu kommt ein Gebäude für Verwaltung, Sicherheitsdienst und Deutschunterricht. Die Fassaden sind hier auf Wunsch der Nachbarn ganz in Weiß gehalten, damit sie zur Siedlung nebenan passen. Für fünf Jahre mietet die Stadt sie zum Gesamtpreis von 4,7 Millionen Euro.
Auf 50 Jahre ist dagegen das Wohngebäude eines Pilotprojekts ausgelegt, dessen Baukonzept der Bund Deutscher Architekten (BDA) Düsseldorf gerade noch ausarbeitet. Zusammen mit lokalen Firmen sollen asylsuchende Handwerker selbst mit an dem Haus für rund 35 Wohnungen bauen. Planer und Firmen sollen einen Teil ihrer Leistung und des Materials spenden. »Mit ›Willkommen in Düsseldorf wollen wir Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt und sozial integrieren«, sagt Holger Frielingsdorf von der BDA-Projektgruppe, »und qualitativ hochwertigen und kostengünstigen Wohnraum schaffen, für sie und ihre Familien, aber auch andere größere Familien aus Deutschland ‒ was öffentlich finanziert in den letzten 20 Jahren hier kaum stattgefunden hat.«
Er sieht in dem abrupten Zuzug eine Gelegenheit, aber auch Notwendigkeit zu einem neuen Umgang mit Bürokratie und Stadtraum. Ein großer Teil der Vorschriften basiert auf der Baunutzungsverordnung, die mehr als 50 Jahre alt ist und ein anderes Stadtbild zugrundelegt. »Die Vorschriften sind widersprüchlich, veraltet oder packen nicht mehr«, sagt er und verweist auf andere Länder, die in sozialen Aspekten des Wohnens deshalb weiter seien. »Statt beispielsweise Flure und Treppen vermeintlich kosten- und energetisch optimiert eng zu bauen, sind sie dort Kommunikationsräume«, erklärt er. »Nun, da wir uns um Flüchtlinge kümmern, merken wir, dass es in den alten Strukturen nicht funktioniert ‒ beim Wohnraum, im Stadtraum, eigentlich in allen Bereichen.«