TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Ein Fahrrad mit einem Weinflaschenhalter. Dekadent oder konsequent? Eher letzteres, denn eine hässliche Trinkflasche aus Plastik sähe einfach nicht gut aus an den Manufakturrädern von »Brave Classics«. Die Fahrräder von Peter Lechner und Marcus Polenske aus Ratingen sind auffälliges Understatement – entweder modern-minimalistisch im Fixie-Stil, oder aber im Retrolook der 30er, 40er und 50er Jahre, mit Ballonreifen und Lastenträger. Kurz – der Gegenentwurf zur grassierenden Trekking-rad-Tristesse.
Das Besondere – wenn man will, wird jedes Fahrrad zum Unikat. Im Ratinger Showroom kann man sich beraten lassen und die Farben, die Bauteile und das Design aussuchen. Lechner und Polenske waren bereits 20 Jahre in der Fahrradbranche tätig, als sie »Brave Classics« gründeten. Sie kennen sich aus in Produktion und Einkauf und wissen, welche Bauteile man wo bekommt. »Der deutsche Markt wird von billiger Ware aus Asien überflutet« sagt Peter Lechner. Was wie ein Schnäppchen aussieht, wurde meist schnell aus billigen Bauteilen zusammengeschraubt. Lechner und Polenske wollen mit ihren Rädern nicht nur einen ästhetischen, sondern auch einen qualitativen Gegenentwurf bieten – so sind bei ihnen wichtige Bauteile wie Schrauben oder Lenker aus Edelstahl, die Ledersättel stammen von der englischen Firma Brooks. Sechs Rahmenformen und eine Palette von 213 »RAL K5 Classic«-Farben stehen zur Auswahl; sogar die Felgen sind in der Wunschfarbe erhältlich. Hat man sein Fahrrad zusammengestellt, wird es in einer deutschen Fahrradmanufaktur zusammengebaut.
Modelle wie »Firenze« oder »Milano« orientieren sich an den angesagten Fixie- oder Eingangrädern. Mit ihrer schlanken, puristischen Silhouette sind sie auf das Wesentliche reduziert – weder Lampen noch Schutzbleche oder Gepäckträger stören das Bild. Was aber nicht heißt, dass »Brave Classics« nicht auf Sonderwünsche eingeht und die Fixies verkehrstauglich macht. Modelle wie »Roubaix« hingegen stehen für die klassische Schönheit – mit weißem Rahmen, crèmefarbenen Reifen, braun-ledernem Sattel und Lenkergriffen ist man nicht nur sportlich, sondern auch ziemlich elegant unterwegs. Wäre der große Gatsby Fahrrad gefahren, es hätte wahrscheinlich so ausgesehen.
»Paris« und »Barcelona« zitieren die historischen Vorbilder mit bequemen Sätteln, Ballonreifen und barock-ausladenden Rahmenformen. Auch bei diesen Rädern sind Farbe und Zubehör frei konfigurierbar; neben einem Gepäckträger und LED-Beleuchtung im Retro-Look stehen auch ein Lastenträger und ein Tragegriff zur Auswahl. Der Lastenträger kann mit einem Korb oder einer Kiste bestückt werden; letztere lässt »Brave Classics« in einer Behindertenwerkstatt anfertigen, auf Wunsch oder für Firmen als Werberad individualisiert oder mit einem Logo versehen. Damit man die Last des Einkaufs nicht beschwerlich mitlenken muss, wird der Lastenträger direkt an den Rahmen und nicht auf das Vorderrad montiert. Hundehalter kennen das – wird der Korb mit dem Hund darin zu oft von links nach rechts gelenkt, kann das bei den flauschigen Insassen schnell zu akuten Übelkeitsanfällen führen.
Den Tragegriff fertigt man aus braunem Leder, genau wie den Weinhalter, dessen Riemen sicheren Platz für eine Flasche bieten. Ob Provokation oder cooles Statement, das muss jeder für sich entscheiden. Die beiden Radmacher Lechner und Polenske haben jedenfalls eine Menge Spaß daran. Auch Thomas Rath durfte zwei Räder gestalten. Der umtriebige Rath, vor dessen Gestaltungswillen in und um Düsseldorf bis hin zum Cupcake nichts sicher ist, griff in die Farbkiste und mixte einen grau-olivfarbenen Rahmen mit pinken Felgen und crèmefarbenen Reifen. Das andere Rath-Rad ist klassischer geworden – die Mischung aus braunen Reifen, Ledersattel und dunkelgrünem Rahmen erinnert durchaus an eine altenglische After-Eight-Packung. Jeder Jeck ist anders, sagt man im Rheinland. Oder, wie Peter Lechner es ausdrückt: »Ein Fahrrad ist doch etwas Individuelles!«
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