Eines Tages stand er plötzlich auf der Straße in Northampton – ein Mann im Clownkostüm, der in der Hand ein paar Luftballons oder einen Teddybär hielt. Das Gesicht weiß geschminkt, mit roten Haaren und roter Nase. Er stand einfach da, grinste die Passanten an und winkte manchmal. Mehr passierte nicht. Dennoch sorgte der »Northampton-Clown« für Beunruhigung und Verängstigung unter der Bevölkerung der zentralenglischen Industriestadt. Die Bilder des immer wieder auftauchenden, scheinbar harmlosen Spaßmachers verbreiteten sich über das Internet und die Medien schnell in alle Welt und riefen entsprechende Reaktionen hervor. Meist ein leichtes Unbehagen; auch bei Menschen, die nicht gerade an »Coulrophobie« leiden – jener krankhaften Angst vor Clowns, die übrigens zu den zehn häufigsten Phobien gehört.
Das Aufdringliche, Starre, Maskenhafte und Überfröhliche könnte der Grund dafür sein, auf Distanz zu Clowns zu gehen – mal ganz abgesehen von gefühligen Clowns wie Hermann van Veen oder Heinz Rühmann, der in seinen späten Jahren in Fernsehshows mit dem Sprechgesang-Lied »Clown sein« penetrant auf die Tränendrüse drückte. Die Ausstellung des Hartware MedienKunstvereins (HMKV) versucht, dem Phänomen der bösen Clowns in Kunst, Medien und Pop-Kultur auf den Grund zu gehen. Die Ausstellungsräume des HMKV im Dortmunder U sind entsprechend umgestaltet worden – anstatt des klassischen White Cube sind die Wände farbig-zirzensisch bemalt worden, um die Säulen glittert raumhohes Lametta; ein Mirrorball wirft Spiegelreflexe in den Raum. Das ist aber nur die Tarnung vor dem Schrecken.
CLOWNS ENTERN DIE HORRORFILME
Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre wandelte sich das Bild der Clowns in der Öffentlichkeit, aus Spaßmachern wurden zunehmend Psychopaten. 1979 presste die Düsseldorfer Avantgarde Band Der Plan, lange vor dem »Northampton-Clown«, die Warnung »Gefährliche Clowns stehen am Straßenrand« auf Vinyl. In der frühen 80er Jahren fanden erste Clowns ihren Weg in Horrorfilme wie »Halloween« von John Carpenter, in dem ein sechsjähriger Junge im Clownkostüm seine Schwester ermordet. 1986 packte dann Stephen King das clowneske Grauen in seinen Roman »Es« – unter einer Kleinstadt in Maine lauert ein Monster, das die Kinder des Ortes in Gestalt des Clowns »Pennywise« in die Kanalisation lockt und dort umbringt. 1988 kam der Film »Space Invaders (Killer Klowns from Outer Space)« in die Kinos – feinster Trash in der Gestalt von Aliens, die als Clowns verkleidet in einem Zirkuszelt durch die Galaxie reisen und amerikanische Teenager bedrohen.
Das Vorbild für diese schäbigen Schelme findet sich in der Ausstellung in einer fast brutalen Beiläufigkeit mit »Pogo dem Clown«. Dieser hieß eigentlich John Wayne Gacy und besuchte in den 70er Jahren in einem selbstgeschneiderten Narrenkostüm als »Pogo« Straßenfeste, um Kinder zu unterhalten. Hinter der freundlichen Maske verbarg sich ein Serienmörder, der für die Vergewaltigung und Tötung von 33 Jungen und jungen Männern verantwortlich war. Er erhielt die höchste Strafe, die je über einen Massenmörder verhängt wurde – 21 Mal lebenslänglich und 12 Mal die Todesstrafe –, aber wurde erst 1994 im Stateville Correctional Center hingerichtet. Auf den alten Fotos sieht man seine Gesichtsbemalung, den roten, abstehenden Haarkranz und die rot-weißen Luftballons, die er in der Hand trägt, und zieht direkt Parallelen zu Stephen Kings »Pennywise«, der in der Verfilmung in fast identischer Verkleidung auftrat. Nun sieht man auch Ronald McDonald oder Krusty den Clowns aus den »Simpsons« in einem neuen Licht. Wobei Krusty, der mit bürgerlichem Namen Herschel Shmoikel Pinkus Yerucham Krustofski heißt, nicht richtig böse ist; dafür aber zynisch, suchtkrank und moralisch labil. Hingegen war es dessen Assistent Tingeltangel-Bob, der Bart Simpson permanent umbringen wollte.
In der Ausstellung mischen sich die popkulturellen, politischen und kunsthistorischen Bezüge. So fußt die Figur des Jokers aus den Batman-Filmen auf der Erzählung »Der Mann, der lacht« von Victor Hugo, in der Banditen einem Jungen die Mundwinkel aufschneiden und in eine lachende Fratze verwandeln. Dieses Motiv wurde mit Heath Ledgers beängstigender Joker-Interpretation aus »Batman – The Dark Knight« fortgeführt – wo Jahre zuvor Jack Nicholson hinter der Maske des Jokers immer Jack Nicholson blieb, gab Ledger den gemeingefährlichen Psychopathen mit verlaufender Schminke und wirren Haaren.
Den Begriff der »bösen Clowns« hat Kuratorin Inke Arns weit gefasst. Die HipHop-Herren von Deichkind lärmen mit einem geschmacklos-schadenfrohen Musikclip – »Leider geil« –, sie sind für Arns ebenso clowneske Entertainer wie Christoph Schlingensief, der bewusst und genussvoll die Grenzen überschritt. Exemplarisch dargestellt wird dies mit Clips seiner MTV-Sendung »U3000«, die aus einer fahrender U-Bahn gesendet wurde und in der z.B. Margot und Maria Hellwig ungefragt auf einen Aidskranken trafen und danach den heimeligen Hardcore-Klängen von Atari Teenage Riot lauschen mussten. Daneben steht das Bild »Untitled #422« von Cindy Sherman im Kontext, deren Clownsmaskerade sich als ein melancholisch-trauriges Abbild entpuppt. Auch die Bilderreihe »La Nuit des Masques« von Marion Auburtin spielt mit Details, Gesichtsausdrücken und der Erwartung der Betrachter. Das Lachen der Clownmaske, die Auburtin trägt, wird zur zähnefletschenden, gefährlichen Grimasse.
Die Reflexe der Discokugel stammen übrigens von einer Installation Barbara Breitenfellners, die seit einigen Jahren ihre nächtlichen Träume über Kunst in einem Traumtagebuch gesammelt hat und in Installationen verwandelt – in Dortmund ist es »Der Traum einer großen Ausstellung. Ich hatte eine ganz doofe riesige Zeichnung (von einem Clown) und schämte mich sehr. Zwei Mädchen machten eine Performance auf Rollschuhen. War auch nicht so toll.« Die Figur des bösen Clowns findet sich auch im politischen Aktivismus wieder, wie bei »Pussy Riot« und ihrem »Punk-Gebet« in einer russischen Kirche, oder bei der kalifornischen »Cacophony Society«, die auf das Burning-Man-Festival zurückgeht. In der Ausstellung wird Archivmaterial präsentiert, das vorher noch nie in Europa zu sehen war. Die »Cacophony Society« entwickelte früh künstlerisch-politische Aktionsformen wie das Adbusting (mutwillig-raffinierte Veränderungen von Plakaten), Markenverschmutzungen und Flashmobs. Der böse Clown ist eine wiederkehrende Figur des Kollektivs, der Chaos und Unordnung stiftet und für »den Einbruch des Unheimlichen in die banale Realität« steht. Und dann ist da noch George Grosz, der 1918, nach dem Ersten Weltkrieg, als dadaistischer Tod mit einer Totenkopfmaske auf dem Kopf wortlos über den Kudamm flanierte; ein trauernder Clown mit Botschaft. Vielleicht würde er heute damit eine ebenso große Aufmerksamkeit wie der »Northampton-Clown« erregen, der sich übrigens als 22-jähriger Filmstudent entpuppte und dessen Clownmaske das Böse im Nachhinein umdrehte – auf Facebook hat er aufgrund seiner Aktionen mehr als tausend Morddrohungen bekommen.
»Böse Clowns«. 27. September 2014 bis 8. März 2015. Hartware MedienKunstVerein (HMKV) im Dortmunder U. www.hmkv.de