TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Folkwang und Martin Kippenberger, das ist schon ein eigenwilliges Verhältnis. Während Kippenbergers Kindheit in Essen-Frillendorf war das Museum Folkwang regelmäßiger Anlaufpunkt für die Familie; gerade für den kunstbegeisterten Vater, der das eigene Heim mit Reproduktionen und Grafiken vollhängte, was diesem bald intern den Titel »Museum Kippenberger« einbrachte. Im Folkwang wurde bei jedem gemeinsamen Besuch ein Wettbewerb ausgerufen – die Kinder sollten in der Ausstellung das beste Bild der Sammlung suchen und so das Lieblingsbild des Vaters ausfindig machen. Als Preisgeld winkte eine Mark, die meist schnell verdient war, da die Kinder es rasch kapiert hatten, dass es sich um Franz Marcs Pferde handelte.
Jahre später, 1984, kehrte Martin Kippenberger gemeinsam mit Albert Oehlen und Werner Büttner zurück ins Folkwang – mit der legendä-ren Gruppenausstellung »Wahrheit ist Arbeit«, die für einen veritablen Skandal sorgte. Nicht nur, dass die Themen wie Nationalsozialismus, Waffenlieferungen und Frauenbewegung scheinbar noch nicht reif für den Museumskontext waren, auch der von den drei Künstlern gemeinsam gestaltete Katalog sorgte für Aufregung. Der Widerspruch zwischen Bild und Text, wie ihn Kippenberger auch auf seinen Plakaten inszenierte, wurde auch hier angewandt, kombiniert mit assoziativen Texten. Dass die Herren dann auch noch während der Eröffnung aktionistisch mit Nudeln auf dem Kopf herumliefen oder in der Toilette Handstände machten, setzte dem Ganzen die Krone auf.
Nun ist Kippenberger erneut in Essen zu sehen – skandalös ist daran aber nichts mehr, wenn man von Kippenbergers Skulptur eines gekreuzigten Frosches – »Zuerst die Füße« – absieht. 90 Plakate hat das Deutsche Plakat Museum aus einem neu erworbenen Konvolut von 107 Plakaten aus den Jahren von 1978 bis 1997 ausgewählt. »Du kommst auch noch in Mode« verspricht die Schau im Titel, man ist sich nicht sicher, ob man das als Verheißung oder Drohung verstehen soll. »In Mode kommen« würde eine gesellschaftliche Anerkennung bedeuten, ob das der Provokateur Kippenberger gewollt hätte, ist fraglich. Immerhin hält sich die Hängung der Plakate nicht an die Regeln – mal hängen sie zu tief, dann wieder zu hoch für den Betrachter. Die Plakate hat der große Selbstinszenierer Kippenberger eigens für seine Ausstellungen und Aktionen entworfen. Mal taucht er selbst in unterschiedlichsten Posen auf, oder er lässt mit gelassener Albernheit Bilder aus Zeitungen und Magazinen collagenartig mit Texten kollidieren.
»Sand in der Vaseline« – so wird eine Ausstellung in Düsseldorf beworben; im November 1986 ist es »Die Perspektivenscheisse«. Oder: Kippenberger posiert für seine Schau »Einfach geht der Applaus zugrunde« mit offenem Hemd und Plauze vor einer Wand aus Wegweisern, die in Richtung »nach Hause«, »Blutjung« oder »Lusche« weisen. An anderer Stelle überklebt er eine rausgerissene Modeanzeige frech mit seinem Namen oder bezeichnet sich als »Ewig junger Wilder«. Und als Kasper König, seinerzeit Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie, Kippenbergers Arbeiten als »Partykellermalerei« abtat, kam die Antwort auf einem Plakat: »Von der Partykellermalerei zur Kneipenkunst«. Für das Motiv seiner Ausstellung »Nochmal Petra« hält er sich hingegen auffällig typografisch zurück und zeigt eine alte Familienfotografie – Kippenberger als Kind mit seinen Geschwistern am Esstisch. An der Wand im Hintergrund steht ein Satz in kindlicher Schrift: »Martin unser Künstler«.
»Du kommst auch noch in Mode«, Plakate von Martin Kippenberger, 18. Oktober 2014 bis 18. Januar 2015. Museum Folkwang, Essen. Tel: 0201. 8845 000. www.museum-folkwang.de