Soll keiner sagen, dass der Haas sich nicht literarisch mal mit etwas anderem beschäftigt hätte als mit dem Brenner. Immerhin gab es 2006 seinen Roman »Das Wetter vor 15 Jahren«, in dem neben einer verunglückten Liebe auch Essen-Kupferdreh vorkam, und 2012 erschien die »Verteidigung der Missionarsstellung«, in der das Verlieben mit dem Ausbruch einer Seuche verbunden war.
Aber dann doch immer wieder der Brenner, jener Wiener Ex-Polizist und Privatdetektiv, der in die absonderlichsten und makabersten Begebenheiten hineingezogen wird. »Ob du es glaubst oder nicht, jetzt ist schon wieder was passiert« – so raunte es bereits in den bisherigen Brenner-Bänden wie »Der Knochenmann«, »Silentium« oder »Die Auferstehung der Toten«. Auch in »Brennerova« findet sich wieder die charakteristische Erzählerstimme, die in knappen Sätzen und gewöhnungsbedürftiger, eckiger Grammatik – »Aber interessant.« – das Geschehen schildert; gerade so, als würde man die Geschichte beim vorletzten Bier in einer schäbigen Kneipe von einem Tresengast erzählt bekommen. Ohne diese Stimme könnte er die Brenner-Romane gar nicht schreiben, hat Haas kürzlich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung bekannt. Sie ist nicht nur zum typischen Brenner-Sound geworden, sondern passt auch gut zu Haas’ grandios unidyllischem Österreich mit seinen Vorstädten und Ausfallstraßen.
In »Brennerova« zieht Wolf Haas die Kreise größer – bis nach Sibirien und in die Mongolei. Der Brenner schaut sich mit einer Mischung aus Interesse und Langeweile im Internet heiratswillige Russinnen an und landet erneut im größten Schlamassel zwischen kriminellen Gangs, Scheinehen, Bordellen, verschwundenen Frauen, zwielichtigen Tattoo-Studios und mongolischen Geiselnehmern, die sich mit westlichen Veganern herumschlagen müssen. Auch Körperteile gehen wieder verloren – jedenfalls vorläufig, als zwei Männer mit großflächiger Körperbemalung ohne Hände ins Krankenhaus eingeliefert werden. Schwierig, beim Annähen mit den Gliedmaßen nicht durcheinander zu kommen. Bei all dem Schrecken bleibt Wolf Haas im Ton lässig, baut die absonderlichsten Twists in die Handlung ein und schenkt uns Ein-Wort-Charakterisierungen wie »Frauentränenumfaller« und Sätze wie diesen: »Denn nie fühlst du dich deinem Ehering inniger verbunden, als wenn der brutalste Zuhälter der Stadt gerade dazu ansetzt, dir die Hände abzuhacken.«
Wolf Haas: »Brennerova«; Hoffmann und Campe, Hamburg 2014, 240 Seiten, 20 Euro
Lesung am 28. Oktober 2014 im Zakk, Düsseldorf