TEXT: REGINE MÜLLER
Es wurde viel Schlimmes prophezeit und gemutmaßt, was herauskommen könne, wenn der neue Wuppertaler Opernintendant Toshiyuki Kamioka die bewährte Struktur des Hauses mit seinem starken Ensemble und einem risikobereiten Spielplan über den Haufen wirft, um mit eingekauften Sängern und Repertoire-Garanten zu arbeiten. Nach der ersten Premiere sieht alles danach aus, dass die Skeptiker recht behalten. Bei Giacomo Puccinis Opernkrimi »Tosca« kann ein Regisseur eigentlich so viel nicht falsch machen. Umso weniger nachvollziehbar, dass man Stefano Poda und das Konzept seiner schauderhaften Klagenfurter »Tosca« gebucht hat, die er in Wuppertal mehr oder weniger recycelt.
Bei unablässig kreisender Drehbühne und waberndem Pyronebel bleibt das Geschehen im Dunkeln, ein gekipptes Kreuz dominiert die Szene im ersten Akt, im zweiten ein großer Tisch, am Ende senkt sich eine Wand nach vorn. In dieser überlebten Ästhetik der achtziger Jahre stehen die Sänger steif herum, ohne Charakter-Linien und Interaktion. Das mörderische Eifersuchts-Dreieck bleibt so unverständlich wie die politische Rahmung unbeachtet.
Das alles wäre deprimierend genug, aber auch musikalisch reißt Kamioka nichts heraus. Der vielgelobte Dirigent lässt grobe Effekte produzieren, es tönt laut und ohne Raffinement und Gespür für das feine, sinnliche Parfüm Puccinis, was seinen brutalen Entladungen und dem schwarzen Pomp der Te Deum-Szene keineswegs widerspricht. Desgleichen die Sänger: Mikhail
Agafonov ist ein imposanter, metallischer Cavaradossi, der seine Töne in Einheitslautstärke stemmt; Mirjam Tolas Tosca beginnt famos, baut aber rasch ab und ist dann in der Höhe durchweg zu tief; Mikolaj Zalasinski singt einen gepflegten Scarpia ohne Gefährlichkeit. Düstere Aussichten!