TEXT: INGO JUKNAT
Man kann es kompliziert ausdrücken oder einfach. Die komplizierte Fassung stammt von Moritz Baßler, Germanistik-Professor an der Uni Münster. Er schreibt über die Band Messer Folgendes: »Ihre spezifische Hauntology beschwört die Unsichtbaren im Medium eines Rock, der zweifellos den Achtzigern verpflichtet und doch alles andere ist als Retro.« Die einfache Version kann man auf der Homepage der Musiker nachlesen. Dort schreibt ein Fan: »Messer sind die einzige Studentenband, der ich nichts an die Mappe hauen will!!!«
Tatsächlich schafft die Formation aus Münster das seltene Kunststück, ›akademische‹ Kritiker und ›normale‹ Fans gleichermaßen für sich einzunehmen. Für Pop-Archäologen sind Messer eine reiche Fundgrube. Ihre Musik erinnert an Zeiten, in denen der deutschsprachige Pop so gar nichts Provinzielles hatte. Rio Reiser blitzt auf, nicht nur im Gesangsstil. Blumfeld scheinen durch – zumindest die frühen Platten, als die Gitarren aufgedreht waren und sich Jochen Distelmeyer noch nicht in halbironischen Schlagerwelten verlaufen hatte. Manchmal erinnert der Vortrag auch an die bedrohlichen Tiraden eines Mark E. Smith von The Fall.
Nicht, dass die Musik von Messer reines Zitatwerk wäre. Es ist eher, so als hätte sich die Band in den Pop-Archiven der frühen 80er umgesehen, das Beste rausgepickt und neu zusammengesetzt. Das Ergebnis ist ein kühl hallender Postpunk, der so gar nicht auf die grünen Wiesen des Münsterlands passen will. Die verschlüsselten Texte von Sänger Hendrik Otremba verstärken den düsteren Eindruck noch. Da seilen sich Spinnen von kahlen Lampen ab, anderswo steigen Rauch und Neonlicht aus Ritzen im Beton auf. Zu den Bildern spielt Bandgründer Pogo McCartney (die Beatles-Anklänge dürften ironisch sein) hypnotische Bassklänge, die man so von Bands wie Joy Division oder The Cure kennt.
Mit diesem Sound haben es Messer in diverse Bestenlisten des letzten Jahres geschafft. Nebenbei erreichten sie den zweiten Platz beim Bandwettbewerb »popUP NRW«. Da wirkt der Name des neuen Albums, »Die Unsichtbaren«, geradezu ironisch. Produziert wurde es, übrigens, vom geschmackssicheren Tobias Levin. Der Hamburger gilt als einer der einflussreichsten Indie-Produzenten in Deutschland. Seine erste Band Cpt Kirk gilt als Keimzelle der »Hamburger Schule« (zu der – neben vielen anderen – auch Blumfeld gehören).
Der Erfolg hat Messer zum Glück noch nicht verbogen. Angebote von Groß-Labels hat die Band bisher abgelehnt. Sie bleibt fürs erste beim kleinen Musikverlag »This Charming Man« in Münster. Der gehört wiederum Christian Weinrich, Einkäufer beim ortsansässigen, und ziemlich legendären, Plattenladen »Green Hell«. Soll niemand sagen, Messer wüssten nicht, wo die Guten sitzen.
Messer: »Die Unsichtbaren«, This Charming Man / Cargo Records, gruppemesser.blogspot.com. Live am 29. März 2014 im »Gleis 22« in Münster. www.gleis22.de/index_noflash.htm