TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Die schon wieder! Diesen Eindruck könnte man als Design- und Kultur-interessierter bekommen, wenn man im Ruhrgebiet auf überaus interes-sant gestaltete Druckwerke wie Flyer, Plakate, Bücher und Broschüren stößt und beim Blick auf das Kleingedruckte immer wieder »labor b« als gestaltendes Design-Büro liest.
Dieser Eindruck trügt zwar nicht direkt, hat aber viel mit Masse und damit verbundener öffentlicher Wahrnehmung zu tun. »labor b« gestaltet für Kultur-Institutionen wie as Dortmunder U, den »Hartware MedienKunstverein« (HMKV) und PACT Zollverein die visuellen Erscheinungsbilder (Corporate Designs) – alles Häuser mit vielen Programmpunkten, die werbewirksam in Form von Flyern und Plakaten unters Volk gebracht werden müssen. Gerade PACT gibt, neben den Spielzeit-Heften, für seine Tanztermine alle paar Wochen gesonderte und eigens gestaltete Flyer heraus. Allerdings: »Wir arbeiten auch für Holifa, das ist ein mittelständisches Unternehmen aus Hagen, das Schmierfette herstellt – das kriegen bloß die wenigsten mit«, betont Simon Busse, Designer und einer von vier Laboranten der ersten Stunde.
Vor mehr als zehn Jahren lernten sich die vier Gesellschafter des »labor b« – Simon Busse, Sebastian Gröne, Björn Rüther und Thomas Wucherpfennig – während des gemeinsamen Design-Studiums an der FH Dortmund kennen. Schnell fand man sich zusammen und realisierte neben dem Studium erste Designaufträge, darunter auch ein Plakat für den HMKV und dessen Ausstellung »games« (2003). Kurz darauf wurde in der Güntherstraße, abseits der Innenstadt, ein 30-Quadratmeter-Büro gemietet. Weil aber die Zahl der Mitarbeiter wuchs – 15 derzeit –, residiert das »labor b« seit 2009 auf der Reinoldistraße, im Brückstraßen-Viertel zwischen Konzerthaus, Billig-Jeansläden und Imbissbuden – im selben Block findet man auch einen Naildesign-Shop und eine butzenscheibige 24-Stunden-Kneipe. Spricht man Simon Busse darauf an, dass sich andere Designbüros dieser Größe doch eigentlich repräsentativere Ecken aussuchen, erzählt er von Pitches, den Wettbewerben verschiedener Agenturen um Aufträge und Etats, wo die Konkurrenz aus Düsseldorf und Köln selbstbewusst und in Mannschaftsstärke auflief: »Wir sind da eher zurückhaltend aufgetreten. Wir können viel bieten, sind aber nicht die Typen, die zum Angeben neigen. Deswegen trifft’s die Umgebung hier auch irgendwie.«
Diese bewusste Abgrenzung zur Werbeagentur-Welt setzt sich auch auf der Webseite des »labor b« fort. Dort zeigen die Laboranten, hübsch ironisch in einem Jubiläums-Spezial, nicht nur ihre Lieblingsplakate und Schriften, sondern auch Fotos – »food porn pics« –, die das tägliche gemeinsame Mittagessen, sprich die Nervennahrung aus Erdbeerkuchen, Salaten und Fischstäbchen, dokumentieren. Des Weiteren gibt es Ratschläge, wie man in der Medienbranche lange überleben kann – neben blendendem Aussehen und Professionalität solle man zusehen, dass keine kompromittierenden Fotos im Netz auftauchen. Was folgt, sind Schnappschüsse von wechselnden Frisuren, Mitarbeitern mit Tüten auf dem Kopf und ein Gruppenfoto der vier, etwas derangierten, Geschäftsführer beim nächtlichen Cocktailtrinken.
Gearbeitet wird natürlich auch – gerade werden die ersten Plakate für die neue PACT-Spielzeit geklebt. Nach den hintergründigen und teils schwarzhumorigen Illustrationen des letzten Jahres setzt die Agentur auf die typografische Variante – von geschwungenen 50er Jahre-Buchstaben bis hin zur Western-Schrift. »Wir pflegen seit Jahren den stetigen Wandel; das ist zentraler Bestandteil der Kommunikation« sagt Busse. »Wir erfinden uns da jedes Jahr neu, zwei Spielzeiten lang bleibt das Design gleich, dann wird mit teils sehr großem Aufwand die Plakatserie für das Folgejahr erfunden.« Auch wenn dieses offene, narrative Konzept von PACT ausdrücklich unterstützt wird, steht »labor b« oft vor der Herausforderung, ins Blaue hinein gestalten zu müssen. Pro Spielzeit gibt es um die 20 bis 25 Veranstaltungen, darunter viele Uraufführungen – »viele Dinge sind zu dem Zeitpunkt, an dem wir das Erscheinungsbild erarbeiten, noch gar nicht bekannt. Es gibt oft noch keine Bilder, oder der Titel steht noch nicht fest. Da ist es natürlich schwierig, etwas zu machen, was wirklich hinterher auf den Inhalt aufsetzt. Die Typografie ist da dankbarer, weil sie ein bisschen abstrakter funktioniert und mehr Stimmungen transportieren kann.«
Bei ihren Plakaten und Katalogen für den HMKV liegt die Sache anders – da müssen sie sich jedes Mal durch einen Wust von komplexen Informationen arbeiten. Die Ausstellung »The Oil Show«, die sich mit der Abhängigkeit vom Rohstoff Öl und den damit verbundenen ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen beschäftigte, war so ein Fall hochkomplexer Theorie. Keine unlösbare Aufgabe, wie der fertige Katalog beweist – nur eben viel mehr als das möglichst hübsche Anordnen von Gemälde-
Fotos, Grußworten und Einleitungstexten. Zudem zeigt sich bei den Plakaten für den HMKV die Lust an der zweiten Wahrnehmungs- und Erzähl-ebene. Es sind oft die kleinen Details, die visuell die Ausstellung thematisieren; da wachsen aus dem plakativen, schwarzweißen Ölfleck für »The Oil Show« Statistikbalken und der rote Kreis für das »Japan Media Arts Festival« wird, aus der Nähe betrachtet, zu einem Wimmelbild aus Manga- und Godzillafiguren, kleinen Mikrofonen und Gamescontroller.
Für das Corporate Design des Dortmunder U ging das »labor b« den umgekehrten Weg. Formal, dass es kracht. So ein Auftrag kann für Designer auch zum Albtraum werden – offensichtlicher geht es ja kaum, wenn das Logo schon übergroß auf dem Dach prangt. Zudem stand zum Zeitpunkt der Gestaltung noch nicht mal der Name des Kreativwirtschaftszentrums fest, und ebenso wenig, welche Institutionen zukünftig das Haus prägen sollten. Dennoch lief alles auf die modifizierte Dachmarke im Wortsinn, das U, hinaus. Ein Spagat zwischen Tradition und Moderne, schlicht-formal in gedämpfter Farbgebung, abgeleitet von der Architektur der ehemaligen Brauerei. Auf jedem Medium steht oben mit dem U die charakteristische Krone, unten findet sich ein reduzierter »Sockel« wieder, dazwischen spielt sich, wie auf imaginären Etagen, alles weitere ab. Schließlich muss diese Dachmarke so unterschiedliche Institutionen wie das Museum Ostwall, den HMKV und die TU Dortmund visuell unter einen Hut kriegen.
Die schon wieder – wenn das so weitergeht, hat das »labor b« bald ganz Dortmund durchgestaltet. Beim U waren sie diejenigen, die nach einer aufwändigen Ausschreibung des RVR, an der 30 überregionale Agenturen teilnahmen, mit ihrem Konzept übrigblieben – Heimspiel. Das überrascht nicht wirklich für ein Designbüro, das auf seiner Webseite neben den gewonnenen Design-Awards sehr lässig die Meisterschale und den DFB-Pokal gestellt hat.