TEXT: ALEXANDRA WACH
»Es gibt nichts zu befürchten« beschwichtigt die Sprechblase, die es aus dem Mund eines Mannes drängt, der einen anderen Huckepack schleppt. Die Gesichter der beiden Anzugträger sind nicht zu erkennen. Mit steifen Gelenken simulieren sie Hilfsbereitschaft, während die bis auf die Körperkonturen weiße Leinwand Desorientierung und Leere verbreitet. Ein Gemälde von 1964, das dem Unbehagen am amerikanischen Optimismus mit einem aufs Schönste lakonischen Humor begegnet.
Grund zur Hoffnungslosigkeit hatte der damals 30-jährige Maler Llyn Foulkes keineswegs. Seine erste institutionelle Ausstellung im Pasadena Art Museum war gerade mal zwei Jahre her. Dass er es zeitgleich als einer der ersten Künstler der angesagten Ferus Gallery gewagt hatte, dem Westküsten-Inkubator neuer Talente den Rücken zu kehren, war nicht nur einem schlechten Timing geschuldet. Der verfrühte Austritt aus dem Club um Andy Warhol, Jasper Johns, Roy Lichtenstein und seinem Studienfreund Ed Ruscha zeugte von einem autodestruktiven Glauben an die eigene Mission, dem selbst die Gesetze der Kunstwelt nichts anhaben konnten. Anbiederndes Networking gehörte nicht zu seinem Spiel, Trends waren dazu dann, um ignoriert zu werden.
Der einzelgängerische Rebell, der die perfekten Oberflächen seiner um das goldene Kalb der Pop Art tanzenden Kollegen ablehnte, manövrierte sich selbst aus der Umlaufbahn und glitt in einem beängstigenden Tempo in die regionale Liga ab. Während die Generationsgenossen mit Ruhm und Geld überschüttet wurden, verkroch sich Foulkes in sein zunehmend wütendes Paralleluniversum, aus dem ihn Carolyn Christov-Bakargiev, die Leiterin der vergangenen Documenta 13, gerade noch rechtzeitig erlöste. Unvergesslich sein Auftritt als Sinatra-Kopie und Ein-Mann-Orchester in Personalunion, umzingelt von Autohupen, Bassgeigen, Kuhglocken, Drums und Xylofon.
Die wuchernde Installation mit dem Namen »The Machine« erschuf der Profi-Schlagzeuger mit Erfahrungen in diversen Bands und einem Auftritt als Vorgruppe von den Doors in liebevoller Bastelarbeit als Ausgleich zur »qualvollen Malerei«. Nicht, dass der in Los Angeles lebende Beinahe-Star völlig vergessen war. Das Comeback zeichnete sich bereits in mehreren Wiederentdeckungswellen ab, von der Gruppenschau »Helter Skelter«, die sich 1992 den großen Namen der aktuellen Kunst in Los Angeles widmete, bis hin zur Teilnahme an der Venedig-Biennale von 2011, die Foulkes mit dem süß-sauer visionären Polit-Bild »Where did I go wrong?« aus dem Jahr 1991 bestritt. Der Hybrid aus Collage und Öl fokussierte einen Zeitungsleser in einer felsigen Wüstenlandschaft. Es war Clark Kent, besser bekannt als Superman. Die Nachricht vom Kriegsausbruch am Persischen Golf schien ihm Bauchschmerzen zu bereiten. Zweifel schwebten über seinem Kopf in Comic-haften Gedankenblasen, und das Superman-Kostüm blieb unter der weißen Bluse aus Protest zur Passivität verdammt.
Den krönenden Höhepunkt einer inzwischen sechs Jahrzehnte umfassenden Karriere verspricht nun die Retrospektive im Museum Kurhaus Kleve, die schon in Los Angeles und New York zu sehen war. Das seit der Documenta 13 berühmte Diorama »The Lost Frontier« (1997-2005), eine bizarr apokalyptische Lava-Landschaft, in der Micky Maus mit einem Gewehr in der Hand eine Autobahnbrücke ins Visier nimmt, ist natürlich mit von der Partie. Es gehört in die Schaffensphase der dreidimensionalen Tableaus, die Foulkes auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten seit den frühen 80er Jahren in Angriff nahm. Ihre Besonderheit ist die Einarbeitung von ausrangierten Alltagsgegenständen wie Zahnbürsten, Haarbüscheln oder Kleidern in die üppige Farbschicht.
Bereits 1959 griff er auf Fundobjekte zurück …
Lesen Sie weiter in der gedruckten Ausgabe von K.WEST!
8. Dezember 2013 bis 2. März 2014, Museum Kurhaus Kleve; Tel: 02821/75010. www.museumkurhaus.de