TEXT: ANDREAS WILINK
Falstaff und der künftige Heinrich V. von England heißen hier Hans und Heinz, und ein bisschen ist so auch die Inszenierung, die die Plantagenets, ihren Bürgerkrieg und den Erbfolgekrieg mit Frankreich auf Augenhöhe zu uns bringt. Leute von heute. Graue Herren aus irgendeinem europäischen Parlament, aus Fraktion oder Ausschuss und charismatisch wie einst der FDP-Altvordere Wolfgang Mischnick treten auf. Ausnahme: der Kneipen-King und Verführer der Jugend, Sir John Falstaff, der bei Henry Meyer wie ein Hollywood-Raubein vom Schlage eines Lee J. Cobb ankommt.
Nun ja, es brennt das Land und es geht um Thron und Krone, aber es könnte auch um die Finanzierung des Euro Hawk gehen. Die Oberhausener Bühne (Alfred Peter) zeigt eine Beton-Rampe, die nach hinten ins Leere zu führen scheint. Eine Straße ins Nirgendwo – und eine Plattform für den Ablauf, der strikt, harsch und nüchtern vollzogen wird. Tilman Knabe und sein Dramaturg Tilman Raabke schneiden eine kurze, schnelle Szenenfolge aus dem Vater- und Sohn-Königsdrama über Heinrich IV. und V., getrennt von Blacks und einer Zwischenmusik aus Mussorgskys »Bildern einer Ausstellung« (später etwas Ligeti), deren imperial auftrumpfenden Pomp man durchaus für britisch halten könnte, und unterstützt von einem erklärenden Schriftband, das über den jeweiligen Spielort auf dem Laufenden hält.
Nur wenn das Kämpfen und Killen einsetzt, dreht die Inszenierung den Temperaments-Regler hoch, Pulverdampf bzw. Bühnennebel ziehen auf, Maschinengewehre rattern, die Männer in Tarnuniformen ballern rum und machen sich kalt, während es sonst aussieht wie in einem Film von Ken Loach oder einem Stück von Simon Stephens. Aber die noblen Verse wollen nicht recht passen zur ordinären Söldner-Kluft.
In einem produktiv irritierenden Moment arretiert der Zweikampf von Heinrich, Prinz von Wales (Martin Hohner), und dem Rebellen Heinrich Percy (Konstantin Buchholz) und setzt sich in Zeitlupe fort zu der berühmtesten Arie aus Händels »Rinaldo«, »Lascia ch’io pianga«: ein Todestanz. Da wird der Opernregisseur Knabe sichtbar, der allerdings im Musiktheater einiges mehr wagt als auf der Sprechtheaterbühne. Mehr von solchen Brechungen hätten der knapp vierstündigen Aufführung gut getan, die nach der Pause, wenn Heinrich zum bloßen Taktiker mutiert und sein England über den Kanal setzt, um sich Frankreich (dekadent, frivol, tuntig, schwul, tänzelnd zu Carla Bruni-Songs) einzuverleiben, an Konsequenz einbüßt.
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