TEXT: REGINE MÜLLER
Ein düsterer Thriller, eine mystisch verbrämte Tragödie hinter Klostermauern und eine böse derbe Komödie um Erbschleicherei: Puccini hatte im Sinn, das Spektrum des Musiktheaters zwischen Drama und Kömödie an einem Abend auszuleuchten und aus drei Blickwinkeln eine Art Welttheater zu zeigen. Ein Theater der Grausamkeiten, das auch die Komödie nicht ausklammert. In Köln arrangieren sich drei Regisseurinnen mit der (wandelbaren) Bühne von Dieter Richter. Auf drei Ebenen macht sich angegammelte Grundstimmung breit. Unten sammelt sich Gerümpel (»Il tabarro«), um sich dann zum Ort verdrängter Vitalität auszuschmücken (»Suor Angelica«) und schließlich zum Lagerraum für die sprichwörtliche Leiche im Keller (»Gianni Schicchi«). Sabine Hartmannshenn inszeniert schlüssig die sozialkritische Elendsstudie »Il tabarro« mit scharf ausgeleuchteten Bildern der Verrohung und bebildert die erkaltete Liebe zwischen den Eheleuten Michele und Giorgetta in präzis ausgezirkelten Szenen. Asmik Grigorian singt eine glühende, lebensgierige Giorgetta, Scott Hendricks einen autistisch in sich versunkenen Michele.
Eva-Maria Höckmayr diagnostiziert für »Suor Angelica« surreal anmutende Psychopathologie. Spielort ist kein Kloster, sondern eine großbürgerliche Villa, in der Angelica (anrührend und mit kristalliner Höhe: Jacquely Wagner) sich als ausgegrenztes Waisenkind in religiösen Wahn steigert. Das Konzept wirkt etwas übercodiert, fasziniert aber durch emotionale Bilder und eine anschauliche Umdeutung klösterlicher in familiäre Grausamkeit, verkörpert durch die Figur der Fürstin, der Dalia Schaechter eisige Konsequenz gibt. In Pedro Almodóvars knallige Filme fühlen wir uns bei Gabriele Rechs sprühendem »Gianni Schicchi« versetzt: Wohin man schaut, stöckeln Frauen am Rande des Nervernzusammenbruchs, Strizzis und schräge Typen überbieten einander an Bosheit und kurios überhöhter Raffsucht. Exakt stilisiert und choreografiert, balanciert das Ganze geschickt auf der Grenze zum Klamauk, ohne absturzgefährdet zu sein. Das spielfreudige Ensemble ist eine Wucht, voran Scott Hendricks in der Titelrolle. Trumpfkarte dieser gelungenen Produktion ist Will Humburg am Pult des Gürzenich-Orchesters, der einen ungemein klangsinnlichen, fein austarierten spannenden Puccini dirigiert und die Sänger in der schwierigen Akustik der Oper am Dom butterweich bettet. Selten ist Puccinni so mitreißend und zugleich sensitiv zu hören.