TEXT: REGINE MÜLLER
Er bleibt eine Rarität auf den Spielplänen: Massenets »Don Quichotte« nach dem Schauspiel »Le chevalier de la longue figure«, für das Cervantes Pate stand, hat dabei alles, was eine Oper braucht: eine tragikomische Liebesgeschichte, eine starke Hauptfigur, sentimentale Szenen unter nächtlichem Sternhimmel, große turbulente Chöre und ein tränenreiches Ende. Womöglich irritiert nur der Untertitel »heroische Komödie«. Eine überzeugende Wiederbelebung leistet das Wuppertaler Opernhaus, das mutig nach Entlegenem greift. Regisseur Jakob Peters-Messer lässt sich nur ironisch zitierend auf spanische Folklore und Lokalkolorit ein und setzt auf Surreales: In Markus Meyers hellgrauem Bühnenraum führen Treppen ins Nichts, kleben Türen unter der Decke, verbiegen sich Möbel dysfunktional. Wo der Raum zu eng wird, weiten Projektionen den Blick. Don Quichottes Gaul Rosinante ist eine weiße Leiter auf Rollen, vom Esel gibt es nur den Kopf, in den der bizarr ausgestopfte Sancho Pansa schlüpft; die berühmten Windmühlen sind Deckenventilatoren, gegen deren stoisches Kreisen jede Lanze machtlos ist.
Don Quichotte sitzt erst lesend in der Badewanne und blättert in Büchern. Die Abenteuer mit der schönen Dulcinée, ihrem gestohlenen Collier, der Ausflug zu den Räubern und überhaupt alles, was Massenet mit verschwenderischem Farbreichtum und Einfallsreichtum musikalisch schildert, finden nur im Kopf des skurrilen Junkers statt. Vielleicht kein originelles Konzept, aber es funktioniert famos. Vor allem, weil man sich komödiantische Derbheiten und Grobheiten verbietet und das Personal mit leichter Hand führt, ohne durch Karikatur zu denunzieren. John in Eichen gibt den Quichotte mit etwas steifer Stimmgebung, beglaubigt aber dessen Schrullen und weiß zu rühren. Martin Js. Ohu ist ein markiger Sancho Pansa mit wackerem Bassbariton. Joclyn Rechter, singt sich frei und ist eine apart timbrierte Dulcinée, die das katzenhafte Gurren nicht übertreibt. Tobias Deutschmann leistet am Pult Präzisionsarbeit und entlockt dem Wuppertaler Sinfonieorchester delikat moussierende Töne. Très français!