Was macht den alten Adam neu? Eva! Nicht das Erwartete geschieht, wenn sich der Vorhang in den Godesberger Kammerspielen öffnet. Ein trichterförmig schmaler Korridor liegt in diffus blauem Dunst. Wie in Zeitlupe bewegen sich sechs Gestalten, von denen man nur die Perücken erkennt, langsam nach vorn, wo Eve Zeugnis ablegt und berichtet, wie es dazu kam, dass sie den erpresserischen Dorfrichter in ihre Stube ließ – um des Attests willen für ihren Ruprecht, damit er vor der angeblichen Verschickung als Soldat in die fernen Kolonien gerettet sei. Der träumerische Prolog ist eigentlich Epilog von Kleists Lustspiel: Nach einer Viertelstunde setzt Klaus Weise die Pause. Dumm ist die Idee nicht, üblicherweise braucht das Stück zwei Stunden bis zur Aufdeckung von Adams Betrug, den man längst durchschaut haben soll, so dass einem bereits die Lust abhanden kam, sich den Kasus noch ausführlich schildern zu lassen.
Wenn es weitergeht in Bonn, ist Martin Kukulies’ Bühne von Pappe, die segelartigen Wände sind aus gepresstem Papier, den Boden bedecken Stapel gebündelter Akten. Der Dorfrichter, dessen wunde Fleischesmasse zuvor schon im Halbdunkel geatzt wurde, liegt proper nackig im Schoß seiner Magd: »Hans Adam war ein Erdenkloß«, wie Goethe dichtet. Ralf Drexler gibt einen melancholisch gesonnenen Schuft, der ahnt, dass er dran glauben muss, und dabei im gallebitter misanthropischen Gerichtsrat Walter (Bernd Braun), der sich aus den Tiefen des Unterbodens emporquält, sein Pendant findet. Auch die anderen, Kläger und Beklagte, hangeln und hieven, schieben und schubsen sich ins Geschehen, das nun mit einiger Umständlichkeit abläuft. Dass die Frauen inklusive Schreiber Licht (Birger Frehse – ein naseweiser adretter Bubi) und Eve (Anastasia Gubareva), die wie eine kleine Schwester von Kleists Käthchen erscheint, zu prächtig aufgeputzt sind für bieder-blödes Landvolk, bleibt unerklärlich. Der obrigkeitsskeptische Schluss, derweil der entlarvte Adam im Schnee liegt, ist Ehrensache. Wieder wallen, jetzt rötlich illuminierte, Nebel. Ein Höllenfeuerchen zum Finale der Bonner Intendanz von Klaus Weise, der als Regisseur immer am besten war, wenn er die glatten Oberflächen bürgerlicher Ordnung und Paarbildung von Ibsen an aufwärts bis Marina Carr und Neil LaBute polierte und aufraute und dabei eine elegante Metaphysik der Verhältnisse entwickelte, statt an Klassikern zu zündeln.