TEXT: REGINE MÜLLER
Schrekers Opern verströmen schweres Parfüm. Unter den in der Nazizeit verfemten Komponisten, die erst spät zurück in die Spielpläne fanden, bewegt sich Schreker mit rauschhaften Klängen und wüsten Geschichten auf den Spuren Sigmund Freuds. Die maßloseste seiner Opern ist »Die Gezeichneten«, die in Köln umjubelt zur Premiere kam. Für die akustisch problematische Ausweichspielstätte Palladium hat Regisseur und Ausstatter Patrick Kinmonth gemeinsam mit GMD Markus Stenz eine überzeugende Lösung gefunden. Die Bühne liegt in der Saalmitte, das Publikum sitzt auf Tribünen vor und hinter der Szene, das Orchester unter einer der Galerien, die Bläser in der ersten Etage. Das erzeugt einen durch Schrekers Hundertschaften zwar wuchtigen, aber kontrolliert durchhörbaren Klang, der von Stenz und dem glänzenden Gürzenich-Orchester zu ekstatischen Ausbrüchen gesteigert wird. Doch überraschen auch Momente kammermusikalischer Delikatesse mit herrlichen Bläsersoli und von Harfen umrauschten, märchenhaft klingenden Streicherpassagen.
Kinmonth, der als Bühnenbildner für den Kanadier Robert Carson suggestive Räume geschaffen hat, verlegt die Geschichte aus Genueser Adelskreisen der Renaissance auf eine Art Autofriedhof, den zwei verglaste Behausungen bewachen: Kranhäuschen, Maschinenleitstände, Malerateliers? Staub liegt über allem, unter der Tristesse lauert Unheimliches. Leichen werden in Kofferräumen entsorgt, Teppichmesser schlitzen bemalte Leinwände und Frauenkehlen auf, wächserne Puppenarmeen führen seltsame Sarabanden auf. Der verkrüppelte Alviano Salvago (Stefan Vinke mit heldischem Tenor-Strahl), der sich verzweifelt nach Liebe sehnt, wird Opfer der Launen von Carlotta (Nicola Beller Carbone), die als Malerin seine »schöne Seele« aufs Bild bannen will. Alviano missversteht ihr Interesse – es kommt zur Katastrophe. Die ist allerdings hier, in eine Zeitschleife gebunden, von Anfang an präsent. Schon das Vorspiel nimmt das Ende vorweg. Ein grandioser Albtraum aus Schrekers Hexenküche.