TEXT: KATJA BEHRENS
Schon seit seinem Studium an der Akademie für Grafik und Buchkunst in Leipzig arbeitet der 1964 in Bonn zur Welt gekommene Tobias Trutwin sich an der abendländischen Kunst- und Geistesgeschichte ab und spart dabei auch Wissenschaft und Popkultur nicht aus: Rubens und Photoshop, die Venus von Willendorf und Gottfried Wilhelm Leibniz, Monaden, Higgs-Boson, das biblische Bilderverbot und ein Wald, eine von innen ausgebrannte Madonna – das sind Themen und Gegenstände seiner Kunst. Auch in seinem neuesten Ausstellungsprojekt »halbfinal – set the controls to the heart of the son« in der TZR Galerie treffen sich Kunstgeschichte, Philosophie und Physik mit der Jetztzeit und ihren Bildern und Bildtechniken, trifft Hubble-Teleskop auf Gottesteilchen.
Trutwins erste Ausstellung in der TZR Galerie fand 1998 statt, unter anderem zeigte er den »Pulp Fiction Altar« und »Todesgen«, Vorläufer, wenn man so will, seiner heutigen Glasbilder. Damals war die Galerie noch in Bochum ansässig, im Technologie Zentrum Ruhr (TZR). Schon von diesem ersten Standort aus konnte die Galerie fulminante Auslandserfolge verbuchen wie zum Beispiel 2001 auf der Messe Paris Photo, die in Verkäufen ans New Yorker MoMA und andere bedeutende Sammlungen mündete, war doch Kai Brückner mit der TZR einer der ersten, der die Kunstwelt mit digital bearbeiteten Bildern konfrontierte. 2006 dann zog die Galerie nach Düsseldorf um, Digitalkunst aber ist immer noch Teil des Programms.
Die meisttätowierte Frau der Welt ist mit der meistgepiercten Frau und der sogenannten Madonna von Nagasaki zu einem maskenhaften, eindringlichen Porträt verschmolzen: Die Frau im Glas, »unsere dame dolorodes of nagasaki mit perlenohrringen« entstand durch Morphing, jenem computergenerierten Spezialeffekt, bei dem die Übergänge von Einzelbildern oder Klängen berechnet, verzerrt und in neue Bilder oder Klänge überführt werden – entstanden ist ein wunderbar karnevaleskes Echo der Mater Dolorosa. Doch auch gedanklich überlagern sich die Bilder der Ausstellung, schieben sich ineinander und verschmelzen, oft zu gänzlich gegenstandslosen Farb- und Lichtsensationen. Das Bild »Der Bethlehemitische Kindermord« von Peter Paul Rubens etwa wird mit Bilddokumenten aktueller Massaker in Syrien kurzgeschlossen. Trutwin hat in seinem großen Glasbild »kindsmord« die Farbwerte des barocken Ölbildes ausgewertet und als glänzenden Farbteppich ins Glas gesetzt. Irgendwo zwischen Vorder- und Rückseite befindet sich das Bild. Es lässt sich nicht wirklich verorten, aber die Farbwerte verweisen auf das barocke Gemälde, auf das Blut, das hier vergossen wird, auf den Schmerz, das Leid, das Klagen der Frauen und Mütter.
Halbfinal – set the controls to the heart of the son, bis 5. Januar 2013. TZR Galerie Kai Brückner, Poststr. 3, 40213 Düsseldorf, www.tzrgalerie.de