TEXT: ANDREAS WILINK
Die Limousine bringt sie mit Blaulicht zum Bahnhof. Der Zug wurde zum Warten genötigt. In Paris angekommen, lautet die Adresse: Rue Faubourg St. Honoré, 55. Es ist der Elysée-Palast, der Hortense Laborie zu sich gebeten hat. Madame soll Leibköchin des Präsidenten der Republik werden, während die Zentrale, eine reine Männerwirtschaft unter Chef Azoulay, den offiziellen Staatsapparat verköstigt. Gewünscht ist eine einfache Küche, nach Rezepten à la Grandmère, von vorzüglicher Qualität, mit den besten regionalen Produkten und zubereitet mit Kupfergeschirr aus Zeiten von Louis Philippe: Der Geschmack Frankreichs eben. Davon versteht die Laborie etwas, die im Périgord groß wurde und auf ihrem Bauernhof junge Köche und Amateure mit Trüffeln, Foie gras und weiteren Delikatessen vertraut machte.
Hortense Laborie heißt eigentlich Danièle Delpeuch, und der hier namenlos bleibende Präsident (Jean D’Ormesson) mit der melancholisch mürben und versonnenen Altersreife war François Mitterrand.
Assistiert vom aufgeweckten Patissier Nicolas (Arthur Dupont), bereitet und probiert die resolute Kochkünstlerin (Catherine Frot) superbe Gerichte, serviert Steinpilze und Trüffel-Gratins, stopft Enten, füllt Poularden, wickelt Lachs in Wirsing, kreuzt Seezunge mit Tintenfisch und backt ihre berühmte Tarte Saint-Honoré: all dieser (Augen-)Schmaus vergleichbar nur mit dem Gastmahl der Babette aus Tania Blixens (auch verfilmter) Erzählung, die einst im Pariser Café des Anglais den vorrevolutionären Adel verwöhnte. So wie nun Hortense den sozialistischen Präsidenten, der im intimen Dialog mit ihr aus einem alten Rezeptbuch Verse von einer »beleibten Ente aus dem Land des Pierre Corneille« rezitiert. Savoir vivre!
Christian Vincent erzählt seine charmante Geschichte, für die sich ihm der Elysée geöffnet hat, aus dem Rückblick. Hortense Laborie hatte nach zwei Jahren gekündigt, zunehmend drangsaliert vom Protokoll, der Kanaille Bürokratie, dem Rechnungsprüfer, Diätvorschriften, einer Ernährungsberaterin und Macho-Kollegen, die eifersüchtig um ihre Privilegien fürchten und die Konkurrentin als »Du Barry« (bekanntlich die Mätresse von Louis XIV.) schmähen. Sie verließ die Heimat, um auf einer Forschungsstation in der Arktis die Besatzung mit einer feinen Kantinenküche dankbar zu stimmen. Wir erleben ihren gefeierten Abschied nach zwölf Monaten und ihre Abreise nach Neuseeland, wo sie auf idealem Boden einen Trüffelhain anlegt. Ob Gott in Frankreich da nicht auch auswandert?
»Die Köchin und der Präsident«; Regie: Christian Vincent; Darsteller: Catherine Frot, Jean D’Ormesson, Arthur Dupont, Hyppolite Girardot; Frankreich 2012; 95 Min.; Start: 20. Dezember 2012.