TEXT: ANDREAS WILINK
So blau, wie Susanne Bier den Anfang leuchtend schön ausmalt, kann kein Meer sein, so glücklich keine junge Liebe, so pittoresk nicht einmal Süditalien in der Gegend von Salerno und Sorrent, wo »All you need is love« zum großen Teil spielt. Soll man, darf man, muss man diese Capri-Fischer-Atmosphäre ernst nehmen? Obwohl oder gerade weil so vieles zerstört wird in dieser Familiengeschichte: Eine Ehe zerbricht, eine andere kommt gar nicht erst zu Stande, eine dritte wurde frühzeitig gewaltsam durch den Unfalltod eines Partners beendet. Der Überlebende, Philip (Pierce Brosnan in seiner vielleicht ersten überzeugend guten Rolle), hat daraufhin eine Wand um sich her errichtet, die weder für die Angestellten seines Großhandel-Konzerns noch für Sohn Patrick überwindbar ist. An seiner eleganten Reserviertheit und Geschäftsmäßigkeit laufen die Menschen auf. Patrick (Sebastian Jessen) und Astrid (Molly Blixt Egelind) bereiten ihre Hochzeit vor – in Philips verlassener Villa am Mittelmeer, auf deren Grund und Boden er früher Zitronen gezüchtet hat. Zur Traum-Trauung reisen Freunde und Familie aus Dänemark an. Auf Astrids Seite sind es ihre Mutter Ida (Trine Dyrholm), die soeben ihre Brustkrebsbehandlung beendet hat mit der Diagnose vorläufiger Heilung. Ihren Mann Leif (Kim Bodnia) erwischt sie gerade noch mit der jungen Buchhalterin Tilde beim Sex auf der Wohnzimmercouch, während er sie bei der Chemotherapie wähnt. Das Noch-Ehepaar reist auf getrennten Wegen gen Süden. Am Flughafen treffen Ida und Philip aufeinander: buchstäblich mit einem Crash. Viel Drama für einen komödiantischen Katastrophenfilm, zumal Philip, der immer nur seinem Vater gefallen wollte und sich und sein Begehren verleugnet, auch noch seine Neigung zu Männern entdeckt. Aber das junge Paar gerät uns aus dem Blick wie auch die übrigen Figuren: bis auf Ida und Philip.
»Love is all you need« bezieht sich mit seinem Originaltitel konkret und eigenwilliger auf Ida und ihren Beruf als Frisörin. Nach der Chemo hat sie ihr Haar verloren und trägt nun eine blonde Perücke, die sie einmal an der Bucht liegen lässt, um schwimmen zu gehen, woraufhin Philip sie findet und Ida gewissermaßen »erkennt«. Susanne Bier zu unterstellen, bloß eine romantische Liebeskomödie gedreht zu haben, greift zu kurz. Man muss sie auf dem Hintergrund des mit dem »Oscar« ausgezeichneten Vorgängerfilms »In einer besseren Welt« sehen, der als komplex konstruiertes, psychologisch verästeltes Drama seinen Figuren ein Reifezeugnis ausstellt, ohne Lehrstück zu sein. Emotional stark und direkt, schlägt Bier eine Art realistischen Märchenton an, der das Erzählte allegorisch umhüllt. Das geschieht auch hier, nur aus dem skandinavisch Nördlichen ins Arkadische versetzt.
»Love ist all you need«; Regie: Susanne Bier; Darsteller: Trine Dyrholm, Pierce Brosnan, Paprika Steen, Kim Bodnia, Molly Blixt Egelind, Sebastian Jessen; Dänemark/Schweden/Italien/F/D/ 2012, 122 Min.; Start: 18. Oktober 2012.