Zum Auftakt Bilder seiner Stadt. Und seine Musik: Golden Swing und Jazz. Man erkennt Woody Allens Filme (mittlerweile mehr als 40) seit langem schon am Vorspann und den ersten Takten. Beides nimmt Robert B. Weide auf. Stellt sich auch sonst in den Dienst dessen, den er porträtiert: in Interviews mit Allen sowie Kollegen, Mitarbeitern, Schauspielern, Bewunderern – und mit Filmausschnitten. Eigene Originalität beansprucht die Dokumentation nicht, was man schon daran merkt, dass sie keinen besonderen Titel wählt und sich mit der rein nüchternen Aussage begnügt. Pharmazeut hätte Allan Stewart Konigsberg werden sollen, erzählt seine Schwester Letty Aronson, wenn es nach den Mittelklasse-Eltern in Brooklyn gegangen wäre, denen er 1935 als Fremdkörper geboren wurde.
Boxkampf mit einem Känguru
»Das Universum expandiert«, sagt der rothaarige jüdische Bengel in »Annie Hall«, um seine Lethargie zu begründen, den man allzu leicht mit Woody verwechseln könnte, worauf der es anlegt, wenn er das familiäre »Mad House« zeigt. Er wuchs auf mit vielen Kinos in der Nähe und 50 Minuten entfernt von Coney Island. Zunächst Gag-Autor, dann von seinen Produzenten animiert, selbst zu performen, trat er trotz seiner Scheu in Clubs im Village der Sixties als Comedien auf. Er boxte mit einem Känguru, sang mit einem sprechenden Pudel, gastierte in allen Shows. Texte und Drehbücher (der Schnellschreiber führt eine ziemliche Zettelwirtschaft) entstehen auf einer Olympia-Schreibmaschine, auch das Debüt-Skript von »What’s New Pussycat«. Damals begriff er, das es besser sei, künftig alle Dinge komplett zu kontrollieren. Jeder Film, sagt er, sei eine Katastrophe. Aber was wäre es erst für ihn, nicht zu drehen! Das Frühwerk war funny – bis zu »Annie Hall«: eine reife Love Story, komisch, aber erwachsen, Dokument der Epoche der 70er und geschmückt mit mehreren »Oscars«. Es folgten das Bergman’sche Seelendrama »Interiors«, die schwarzweiße Romanze »Manhattan«, dann »Stardust Memories«, für ihn sein Fellini-»Achteinhalb«, den das Publikum wenig mochte.
Bevorzugt: die weibliche Perspektive
Interessant, wie Allen die eigene Filmografie einschätzt in ihren Richtungswechseln, artistischen Genre-Kurven und Motivationen, gespannt vom klassischen Boulevard bis zum Thrill moralischer Reflexion (»Verbrechen und andere Kleinigkeiten«, »Match Point«) und erotischen, kriminalistischen und musikalischen Experimenten. Man kann die künstlerische Biografie Allens, der bekennt, bevorzugt die weibliche Perspektive einzunehmen, auch entlang seiner Hauptdarstellerinnen erzählen: von Diane Keaton zu Mia Farrow – bis zum Skandal um seine Adoptivtochter Soon-Yi Prévin. Die Damen Mariel Hemingway, Mira Sorvino, Naomi Watts, Scarlett Johansson oder Penelope Cruz haben nur Gutes über ihn, sein Genie und seinen Instinkt fürs Acting zu sagen. Der Film endet in Cannes, das passt eigentlich nicht zu ihm. Dann eher »Midnight in Paris« – Allens überraschender, auch kommerzieller Millionen-Erfolg.
»Woody Allen – A Documentary«; Regie: Robert B. Weide; USA 2012; 108 Min.; Start: 5. Juli 2012.