TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Komischer Name für ein Interior Design-Label: »halloessen« – klingt im ersten Moment nicht direkt uncool, aber sperrig, oder besser: unangepasst. Kein Design-Sprech, sondern eher nüchtern wie freundlich und dadurch schon wieder markant. »Wir mussten 2010 schnell einen Namen finden«, sagt Holm Giessler vom Designkollektiv »halloessen«. »Wir haben bewusst einen Namen gesucht, in der die Stadt vorkommt, in der wir studiert haben, in der wir leben und arbeiten.« Das »hallo« im Namen ist weniger ein Gruß, als eine Inspiration aus der Stadtgeschichte – die höchste natürliche Erhebung im Essener Norden trägt diesen Namen, und es gibt das Stadion »Am Hallo«. Zudem wurden früher mobile Getränkehändler von den Arbeitern hinterm Werkszaun mit »Hallo!« herangerufen, so dass sich daraus der Begriff »Hallo-Bar« etablierte.
Doch genug der Vergangenheit, schließlich sind die Entwürfe von »halloessen« genau das Gegenteil – raffiniert, gegenwärtig, voller Lust am Material. Der Labelname soll Selbstbewusstsein signalisieren und ist Bekenntnis zum Designstandort Ruhrgebiet.
Angewandte Ruhrgebietsfolklore mit Grubenmann-Symbolik oder umgenähten Zechenhandtüchern sucht man zum Glück vergeblich.
Hinter »halloessen« stecken Jennifer Heimann, Hom Giessler und Kai Eckoldt – die Drei haben sich beim gemeinsamen Industriedesign-Studium an der Folkwang Universität der Künste kennengelernt. Sie studierten zwar in verschiedenen Semestern, aber man schätzte die Meinungen der anderen und war auf der gleichen Wellenlänge. Eine Freundschaft entwickelte sich und das Bestreben, auch nach dem Ende des Studiums weiter zusammenzuarbeiten, um zu »100 Prozent eigene Ideen umsetzen und unabhängig arbeiten zu können«, wie Jennifer Heimann betont. »halloessen« ist das Ergebnis – ein ungewöhnliches Projekt, schließlich entstehen die Entwürfe für die gemeinsame Sache nach Feierabend. Jennifer Heimann arbeitet als selbstständige Designerin in den Disziplinen Produkt-, Fashion- und Grafikdesign; Holm Giessler in der Essener Agentur »Flöz Industrie Design« und Kai Eckoldt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Folkwang Universität in der Disziplin Experience Design am »Lehrstuhl für Ergonomie, Mensch-Produkt-Interaktion und Nutzererleben«.
Diese Ballung von Kompetenz führt zu ungewöhnlichen Ideen, wie der Erfindung der textilen Schublade. »poki« heißt die Möbelreihe, die ein dänisches Nähtischchen aus Rattan als Vorbild hat. Eine Arbeitsplatte mit integrierter Schublade, die es sowohl als Tisch gibt, aber auch in einer Variante ohne Standfüße, die man einzeln an die Wand montieren kann. Heimann und Giessler entwickelten die Idee weiter, kombinierten mit Holz und Textilien zwei völlig verschiedene Materialien und strickten daraus etwas völlig Neues. Die Schublade besteht aus einem textilen Netz in verschiedenen Farben, ein ungewöhnlicher Stauraum. Zudem verschwinden die Netze nicht, wie von Schubladen gewohnt, in einer Kommode, sondern hängen sichtbar und frei im Raum.
Der Beistelltisch »dans«, aus Metall gebogen und schreiend gelb lackiert, irritiert durch seine angeschrägten Füße – »ein Tisch, der sich zu bewegen scheint, aber trotzdem steht«, so Holm Giessler zu dieser bewussten optischen Irritation. Ein ähnliches Prinzip hat er bei seinen Tischböcken »mü« angewendet; das Spiel mit den Winkeln ist mehr als raffiniert. Während das quadratische Profil flach und stabil auf dem Boden steht, liegt die jeweilige Tischplatte elegant auf einem gedrehten, spitzen Winkel.
Wo wir schon mal in Bodennähe sind – der Teppich »eifel« von Heimann und Eckoldt, der in Zusammenarbeit mit der Filzfabrik Fulda entstanden ist, scheint aus verwinkelten, grau-schwarzen Nadelfilzstücken zusammengenäht zu sein, was ihn, je nach Phantasie der Betrachter, wie einen Berg, einen Vulkan oder eine ungefähre Landschaft aussehen lässt. Der Clou an »eifel« ist, dass er aus nur sechs Elementen besteht, die geschickt ineinander verschoben und verschränkt sind – auf der Internetseite von »halloessen« zeigt ein Video das Konstruktionsprinzip.
Bei der Tisch- und Leselampe »beam« hat Holm Giessler den Begriff Lichtkegel wörtlich genommen und zwei Kegel zu einer Lampe zusammengefasst. »Ich wollte das direkte und indirekte Licht zusammenbringen« – was ihm gelungen ist. Der größere Kegel aus Metall und Glas fungiert als Standfuß und ist, durch die Reflektion auf der Tischplatte, für das indirekte Licht gedacht, während der kleinere Kegel für das direkte Leselicht sorgt. Ebenso erhellend ist die Lampe »coco« der modebegeisterten Jennifer Heimann – das elegante Lichtobjekt mit dem passenden Namen ist »die kleine Schwarze« der Kollektion. Die Lampe mit dem schwarzen Schirm und dem hölzernen Standfuß wirkt gewagt windschief; für Heimann eine Frage des Charakters: »Genau – je nach Betrachtungswinkel hat sie was zickiges!« Ganz neu in der Kollektion ist die Lampe »tube«, die ebenfalls vom lichtbegeisterten Holm Giessler stammt. Die Schreibtischlampe verwandelt sich von einem mattschwarzen, senkrechten Metallrohr auf einem Standfuß durch Ausklappen in die Horizontale in eine elegante Lichtröhre.
Noch sind die Drei von »halloessen« so etwas wie ein Geheimtipp in der Designszene, aber das ändert sich stetig – durch Medienpräsenz und die Teilnahme an Messen, auf denen sie die Ergebnisse ihrer Kopf- und Schreibtischarbeit zeigen und positives Echo bekommen. Anfang 2011 waren sie gemeinsamen mit ihren befreundeten Kollegen vom schwedischen Designbüro »Kontor Kontur« im Rahmen der Stockholmer Möbelmesse auf der dortigen »Greenhouse« zu sehen; im Oktober zeigten sie ihre Objekte auf der »blickfang« in Wien. Im Januar 2012 bekamen sie eine »Förderkoje« auf der Indie-Interiourdesign-Messe »Designers Fair«, die zeitgleich mit den Kölner »Passagen« im Designquartier Ehrenfeld stattfand. »Das war sehr wichtig für uns, da sind wir genau den richtigen Leuten begegnet«, erzählt Jennifer Heimann strahlend. »Und wir haben gespürt, wie wir uns weiterentwickelt haben in der letzten Zeit.«
Es gibt mittlerweile viele Anfragen bei »halloessen«, dennoch scheuen sie sich, ihre Entwürfe in Serie zu fertigen. »Wir wollen momentan nicht Produzent sein«, sagen sie bestimmt und selbstbewusst. Eher sind sie daran interessiert, ihre Ideen und Entwürfe zu verkaufen – an Unternehmen und Firmen, die das kreative Potential von »halloessen« zu schätzen wissen und interessiert sind an einer Zusammenarbeit, in der am Ende ein Entwurf steht, der sich gewaschen hat und von dieser leichten, sicheren Kreativität ist, für die »halloessen« steht. Wie schon bei »beam«, »coco«, »dans«, »mü«, »eifel«, »poki« und »tube«.