TEXT: INGO JUKNAT
Von Krisenstimmung war nicht viel zu merken an diesem Abend. Das Musikmagazin »Visions« feierte Jubiläum, das neue FZW war voll, 800 Menschen tanzten zur Musik der Band Shout Out Louds. Fünf Monate ist das her, zu dem Zeitpunkt brodelte es hinter den Kulissen. Das städtische »Freizeitzentrum West« sollte privatisiert werden, ob und wie viele der Mitarbeiter übernommen werden würden, stand in den Sternen. Monatelang hing der Traditionsclub in der Schwebe, die Programmplanung bestand vor allem aus Improvisation. Wie konnte es soweit kommen?
Rückblick: Mitte 2009 rückt die Planierraupe dem alten FZW auf den Leib. Die Institution auf dem Thier-Gelände wird abgerissen. Es sieht nach dem Klassiker aus: Club weicht Einkaufzentrum. Doch tatsächlich soll das FZW nur verlegt werden und Dortmund pünktlich zu Ruhr.2010 ein neues, größeres Jugendkulturzentrum bekommen. Es klapp sogar früher. Am 11. November 2009 eröffnet der Neubau in unmittelbarer Nähe zum Kreativzentrum am U-Turm. Das Problem ist nur: Es gibt noch keine rechtlich abgesicherte Betreibergesellschaft.
Die unklaren Verhältnisse drohen, ein ganzes Jahr zu ruinieren. Konzert-Booking ist ein Geschäft mit langen Vorläufen. Versäumnisse machen sich noch Monate später bemerkbar – in Form von leeren Terminkalendern. Ohne klare Ansprechpartner (und Finanzierungssicherheit) läuft das FZW Gefahr, vom Radar der großen Konzertagenturen zu verschwinden. Ein Trauerspiel: Nach über 40 Jahren hat Dortmund ein brandneues, räumlich und technisch erstklassig ausgestattetes Jugendzentrum. Aber niemand, der es leitet. Das FZW ist, im wahrsten Sinne des Wortes, kopflos.
Letzten November kippt die Stimmung intern. Die Mitarbeiter des Zentrums schreiben einen Offenen Brief an den Rat der Stadt Dortmund. Darin wird vor allem die Ungleichbehandlung der kulturellen Einrichtungen beklagt. Tenor: Während Theater und Konzerthaus auch in finanzschwachen Zeiten bezuschusst werden, wird das Engagement für die freie Jugendszene weggespart. »42 Jahre FZW – ade?« lautet die Frage. Und das im Jahr der Kulturhauptstadt.
Ganz so schlimm ist es dann doch nicht gekommen. Seit Anfang des Jahres herrscht nun Klarheit. Das FZW ist in der Hand einer »Event GmbH«, die meisten freien Mitarbeiter wurden übernommen. Auch beim Veranstaltungsprofil kann langsam Entwarnung gegeben werden. Wer befürchtet hatte, dass sich das FZW unter dem neuen Druck der Wirtschaftlichkeit in einen Kommerztempel verwandeln würde, kann durchatmen. Natürlich gibt es Veranstaltungen wie die 80er-Jahre-Party, die auf den Mainstream schielen, insgesamt bleibt das Programm der nächsten Monate aber abwechslungsreich genug.
Gegen einen Bruch mit der Tradition sprechen schon die Betreiber. Da wäre zum Beispiel Michael Lohrmann. Als Herausgeber der in Dortmund ansässigen Visions kennt er das FZW schon seit Jahren. Sein Magazin veranstaltet seit langer Zeit Konzerte und Partys in der Stadt, die Verbindungen zur Musikindustrie sind naturgemäß gut. Für das FZW ist Lohrmann zweifellos erste Wahl. Für Kontinuität steht auch Volker May. Er war schon im alten FZW jahrelang Booker. Seit die Kapazität des Clubs von 400 auf 1300 gewachsen ist, hat er ganz neue Möglichkeiten.
Dritter im Bunde ist Till Hoppe. Als ehemaliger (Mit-)Betreiber von »Zuhouse«, »Liquid Lounge« und anderen Clubs ist er eine Art Nightlife-Impresario in der Stadt. In Zukunft wird sich dieser Ruf eher noch verstärken. Dafür sorgt schon seine Beteiligung an der »Panurama GmbH«. Unter ihrem Dach firmiert die komplette Gastronomie im U-Turm – das Club-Restaurant »View« sowie das »Ruby«. An Hoppe und seinem Panurama-Partner Thomas Pieper kommt im Dortmunder Nachtleben derzeit kaum jemand vorbei – eine Situation, die in der Stadt nicht nur mit Wohlwollen verfolgt wird. Von Monopol will Pieper indes nichts wissen: »Das klingt so absolutistisch. Wir pflegen ein gutes Verhältnis zu anderen Gastronomen und wollen nicht als Platzhirsch auftreten.«
Anders als im U-Turm wird die Dominanz der Panurama-Connection im FZW durch die Beteiligung von Lohrmann und May verhindert. Und vielleicht hat die Verbindung zum Kreativstandort nebenan ja auch wirklich Vorteile. Hoppe will sie jedenfalls für Synergien nutzen. So soll im Sommer ein Strand-Biergarten zwischen den beiden Gebäuden entstehen.
Dass der U-Turm derzeit eher Geldgrab als Goldgrube ist, steht freilich auf einem anderen Blatt. Die Turbulenzen um das »Zentrum für Kunst und Kreativität« sind inzwischen legendär: verzögerter Umbau, explodierende Kosten und eine kafkaesk anmutende Betreiberstruktur haben das letzte Jahr geprägt. Dabei hätte die Ruhr.2010 doch eigentlich der Startschuss für eine neue Kulturära in Dortmund sein sollen. Vermutlich fielen die Schlagzeilen zum Chaos im FZW nur deshalb weniger heftig aus, weil es (buchstäblich) im Schatten des Kreativzentrums stattfand.
Im Unterschied zum umstrittenen U-Turm-Konzept gab es für das neue FZW von Anfang an viel Lob. Bei Deutschlands wichtigster Konzertagentur, Marek Lieberberg, hieß es zum Beispiel, der neue Club habe »das Ruhrgebiet und die Stadt Dortmund auf die Landkarte bei unseren Konzertplanungen gesetzt.« Und Stephan Thanscheidt vom Veranstalter FKP Scorpio ergänzt, der Neubau des FZW sei für ihn »die beste neue Venue im Ruhrgebiet«. Applaus kommt auch aus der Stadt selbst. »Das neue FZW ist eine phantastische Location«, sagt Carsten Helmich. Er muss es wissen. Mit dem »Club Trinidad« hat er eine der erfolgreichsten Partyreihen am alten Ort organisiert. Inzwischen betreut Helmich das bedeutendste Pop-Festival im Ruhrgebiet, die »Juicy Beats«.
Man muss diesen Stimmen Recht geben. Bei allem Respekt vor dem alten FZW und seiner Geschichte – der Neubau setzt ganz andere Standards in Sachen Größe, Sound und Vielseitigkeit. Es ist der Sprung eines 60er-Jahre-Jugendclubs zur modernen Multifunktionshalle. Und er ist notwendig. Wie dringend Dortmund eine (Pop-)Konzertbühne von der Größe des neuen FZW braucht, kann man unter anderem am Zustand der Konkurrenz-Gebäude, allen voran der rekordverdächtig tristen Westfalenhalle 2, ablesen.
Dass das neue FZW so gut werden kann wie das alte, daran zweifelt Helmich nicht. Für manche Veranstaltungen sei die neue Location eindeutig die bessere Wahl. »Es gab Parties wie die ›Suite 023‹, deren Publikum ungern ins alte FZW gegangen ist. Das wird sich nun ändern.« Auch am wichtigsten popkulturellen Ereignis in Dortmund wird der neu/alte Club beteiligt sein. Im Rahmenprogramm der Juicy Beats ist das FZW fest eingeplant.
FZW. Ritterstraße 20, 44137 Dortmund. www.fzw.de