// In einer Bauernkate wird die sogenannte »Iljitsch-Birne« installiert. Hinten an der Wand hängt das Bildnis des freundlichen Spenders: Lenin. Der Sowjetunion ging ein Licht auf. Nachdem das Riesenreich von der Russischen Revolution wie elektrisiert worden war, musste sich das neue System legitimieren. Ein Instrument zur Lenkung der Sichtweise war, neben dem Film, die Fotografie, wobei Propaganda und Illusion, utopisches Projekt und Abbild von Lebenswirklichkeit nicht unbedingt zuwider laufen müssen. Der filternde Blick des Nachgeborenen kann das eine durchschauen, ohne das andere zu missdeuten. Etwa die lachende gesunde Jugend von 1937, die Vertrauen erweckenden Volkskommissare, die eifrige Zeitungslektüre in der Teestube. Die Diktatur machte Dampf und setzte alles in Bewegung: Flugzeuge, Eisenbahn, Mähdrescher, Ruderboote, Pferdekutschen. Hauptsache, es ging vorwärts, in großen Schritten durch den Vielvölkerstaat, bis in die Weiten von Sibirien, Usbekistan, Kirgisien, Turkistan und ans Eismeer. Der Triumph des Fortschritts – und seine Inszenierung – machte nirgends halt. Er drang vor bis in die Familie, die Keimzelle des Kollektivs. Der 1932 entstandene Foto-Zyklus der Arbeiterfamilie Filipow verkündet einen hoch standardisierten Lebensalltag bei Arbeit und Wohnen (sogar mit Datscha), beim Schulunterricht der Kinder und in der Freizeitgestaltung. Dynamisierung des Lebens, die sich in der Kunst, ihrer brechenden Linien und kippenden Perspektiven spiegelt.
Arkadíj Samojlowitsch Schajchet, der die Szene des erhellenden Bauernalltags 1925…
Die Ausstellung wird begleitet von einem Filmprogramm; Katalog, Steidl Verlag, 240 S., 28 Euro im Museum (Buchhandel35 Euro); bis 31. Januar 2010; www.museum-ludwig.de