// »Kai 10« lautet kurz und knapp der Name, nichts als die Ortsmarke. Eine gute Adresse, gelegen im Düsseldorfer Medienhafen. In der alten Speicherstätte, der ehemaligen Zweitgalerie von Hans Mayer, drängelt es sich zu den Vernissagen des Ausstellungsraums. Beim Who is Who der Szene treffen sich etwa der Kölner Kunstmesse-Chef Daniel Hug und Museumsdirektor Kasper König, die Kollegen Julian Heynen und Beat Wismer aus Düsseldorf, Maler, Bildhauer und Konzeptkünstler wie Lawrence Weiner und Alan Charlton aus New York, Katharina Fritsch, Günther Uecker oder Ulrich Erben als in Düsseldorf beheimatete Künstler. Galeristen reisen aus Paris und Berlin an. Sogar die Picasso-Enkelin Sydney wurde schon gesichtet. Die Besucher hofieren die Gastgeberin Monika Schnetkamp, sei es wegen ihres Engagements im Allgemeinen oder ganz prosaisch in der Hoffnung, selbst auf irgendeine Weise in den Genuss der gemeinnützigen Arthena Foundation zu kommen, die von der 48-jährigen Oldenburger Unternehmerin ins Leben gerufen wurde. Die Kreativen wollen gern auf den rund 450 Quadratmetern ausstellen, Galeristen ihre Künstler lancieren, und der Society-Glanz ist für manch einen auch nicht zu verachten.
Die Norddeutsche Monika Schnetkamp wur-de im Rheinland mit offenen Armen aufgenommen. Bei all dem Vernissage-Rummel und ihren Previews fällt sie durch fast schon bescheidene Zurückhaltung auf. Sie bleibt im Hintergrund, auch konzeptionell. Dafür hat sie Fachleute, die Ideen entwickeln und umsetzen. An erster Stelle Zdenek Felix. Der 71-jährige Pensionär der Hamburger Deichtorhallen organisiert, kuratiert und animiert zugleich junge Künstler, selbst wiederum Ausstellungen anzuregen. Um zu vermitteln, was »Kai 10« zeigt, gibt man Hochglanz-Kataloge heraus und veranstaltet Rahmenprogramme vom Künstlergespräch über Filmvorführungen bis zu öffentlichen Führungen und Vorträgen zur Kunst- und Kulturgeschichte.
Was Monika Schnetkamp als Mäzenin und Freundin der Künste auszeichnet, ist ihre nicht-kommerzielle Stiftung. Deren Namen hat sie findig ersonnen und kombiniert: »Arthena« setzt sich zusammen aus ars, dem lateinischen Begriff für Kunst, und Pallas Athene, der griechischen Göttin der Weisheit, Schirmherrin der Künste und Wissenschaften. Die Stiftung versteht sich demnach als Bindeglied zwischen diesen beiden Disziplinen. Zwar in Oldenburg eingetragen, hat sie faktisch ihren Sitz an der Kaistraße.
Die Finanzierung von »Kai 10« mit Ausstellungen, festem Mitarbeiter-Stab und wissenschaftlich fundierten Katalogen stammt aus dem Stiftungskapital, praktisch aber aus Schnetkamps Privatschatulle. Die diplomierte Bankkauffrau, die zugleich ein Studium der Kunstgeschichte absolviert hat, um als Produkt-Managerin für die Unilever-Tochter Langnese-Iglo in Hamburg zu starten, führt längst eine eigene Firma und ist Mitgesellschafterin von Unternehmen.
Die Aufregung der ersten Schauen hat sich gelegt, die Kunstförderin aus Leidenschaft kann sich jetzt zurücklehnen, wenn sie sich für ein Gespräch Zeit nimmt. Ja, es mache Spaß, sich für die kreative Seite des Lebens einzusetzen. Die Szene lerne sie immer besser kennen, sie wachse hinein. Ungewöhnlich an ihrem Modell ist, dass Monika Schnetkamp sich nicht als Sammlerin präsentiert (wie etwa Julia Stoschek mit ihrer Privatkollektion in Oberkassel, die sich gerade in der Landeshauptstadt ihren Sonderrang zu ertrotzen versucht). Sie greift nicht selbst ins Geschehen ein und vermarktet die Räume auch nicht zur eigenen Image-Förderung.
Die vier Ausstellungen pro Jahr lässt sie ausschließlich von Zdenek Felix bespielen. Kontakte aus seiner Berliner Wahlheimat oder aus früheren Tätigkeitsfeldern in Essen am Museum Folkwang, in München als Chef des Kunstvereins oder eben in Hamburg zahlen sich aus. Gehypte Künstler lassen sich herbeirufen. Björn Dahlem, für den sich sogar die Saatchi-Galerie interessiert, baute eine herausragende Lichtinszenierung auf. Es wurden Werke der Weltenbummler Franz West und Heimo Zobernig gezeigt. Derzeit ist unter anderem Thomas Zipp zu sehen, Ziehsohn von Martin Kippenberger, Künstler der Tate Modern und seit 2008 Professor an der Universität der Künste in Berlin.
Zipp steht im Mittelpunkt der aktuellen Präsentation »Die andere Seite«, deren Titel aus dem Roman von Alfred Kubin stammt. Darin wird der Untergang eines Traumreiches »weit hinter Tibet« vom einzigen Überlebenden geschildert. Den Kurator beschäftigt bei der Zusammenschau die Frage, wie die jüngere Generation (darunter geisterhafte Porträts, schemenhafte Gestalten und skurrile Formen von Michael Bauer und Erwin Kneihsl) auf die phantastischen Allegorien, Grotesken und Absurditäten von Kubin und James Ensor reagiert und Korrespondenzen in ihren Arbeiten schafft. In Zipps Werk taucht das Stilmittel der Ironie als prägend auf. Seine »Pattex«-Büste aus Diabas, Kunstschaum und Leinwand-Überzug mit Kugeln aus einem Kugellager für die somit starren Augen glossiert das Sujet Selbstporträt, macht den Künstler zum Narren mit schwarzer Kunststoff-Zipfelmütze und stellt ihn doch auf einen hohen Podest..
Zipp liebt Doppelbödiges. So konstruiert er das Werk eines namenlosen Kollegen nach, das er im Katalog der Ausstellung »Entartete Kunst« von 1937 in München fand – die originale Skulptur wurde vernichtet. Zipp schuf sie in fünf Exemplaren neu, hoffend, dass wenigstens eines davon die Zeiten überdauern wird. Seinem bösen Humor ist auch Otto Hahn ausgeliefert. Der Erfinder der Kernspaltung sei ihm, so Zipp, »ein Platzhalter für die menschliche Fähigkeit, einen Wahnsinn zu entwickeln, der das Gewissen überflügelt. Das Ego ist stärker als die Vernunft.« Zipp fügte dem Abbild blanke Polsternägel für den irritierenden Silberblick hinzu. Ziemlich schräg. Keine schlechte Perspektive für einen Kunstraum. //
Kai 10, Raum für Kunst, Düsseldorf, Kaistraße 10; die aktuelle Ausstellung läuft bis 5. Dezember 2009; www.kaistrasse10.de