// Zum zweiten Mal in ihrer Geschichte widmet sich die Deutsche Oper am Rhein Arnold Schönbergs »Moses und Aron«. 1968 schuf das Haus mit der westdeutschen Erstaufführung eine exemplarische Inszenierung. Entsprechend hoch lag der Anspruch gegenüber der Neuproduktion, die zum Ende der Intendanz von Tobias Richter dessen Ära gleichsam krönen sollte. Das Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts entstandene Bekenntnis- und Grenzwerk des Juden Schönberg spiegelt in dem alttestamentarischen Stoff die Bedrohung für das Volk der Bibel. Erzählend von den Nöten der Heimatlosigkeit und der Flucht ins Ungewisse, entwickelt sich aus dem Konflikt der gegensätzlichen Brüder Moses und Aron die Entstehung der monotheistischen Religion, die das »Unsichtbare« zum Zentrum ihres exklusiven Glaubens macht. Auch nach mehr als sieben Jahrzehnten nach der Niederschrift ist der hoch komplexe Notentext, der auf Variationen einer einzigen Zwölftonreihe basiert, eine Herausforderung für alle Beteiligten. Vor allem der Chor hat Außergewöhnliches zu leisten – mehr als 80 Proben waren nötig, um den atonalen Part einzustudieren.
Christof Nel hat den Exodus von der Wüste Sinai in eine abstrakte Bühnenzeit verlegt, die Spuren des Zeitgenössischen trägt, Roland Aeschlimann einen bläulich düsteren Raum mit dicken Mauern gebaut, in dem eine steile Wendeltreppe ins Nichts führt. Ein Ort, aus dem es kein Entkommen gibt. Der Regisseur, dessen Psychoanalyse-Blick häufig subtile Deutungen glücken, scheint hier in Ehrfurcht erstarrt zu sein. Fast konventionell buchstabiert er die Handlung, mildert sie ab; wohl gelingen einzelne starke Bilder, doch bleibt vieles vage. Die Orgie am Ende vom Tanz ums Goldene Kalb findet in Düsseldorf einfach gar nicht statt, die tödlich martialische Musik enthält keine Entsprechung, kein Ventil im Szenischen. Zum Ereignis wird die Aufführung indes durch die überragende musikalische Ausführung: den minutiös exakten, klangschön agierenden Chor; die bis in die kleinsten Rollen exzellenten Sänger, angeführt von Michael Ebbeckes würdigem Moses und Wolfgang Schmidts souveränem Aron so-wie durch Wen-Pin Chiens klug differenzierte Stabführung, die Transparenz walten lässt und Schönbergs Zwölfton-Koloss zu sinnlichem Leuchten bringt. // REM