// Seit der letzten Jahrhundertwende, als die Zeit zwischen Kindheit und Erwachsensein zum ersten Mal als eigene Altersklasse entdeckt wurde, gilt Jugend als suchend, gefährdet und begehrenswert. Dies prädestiniert Ferdinand Bruckners »Krankheit der Jugend« von 1926 dazu, auch heute, da Jugend kostbar ist wie die Eiskappen der Pole, aufs Theater gebracht zu werden. Wobei es sich empfiehlt, das spätexpressionistische Pathos des »Seelenschmarrens« (Alfred Kerr) irgendwie herauszuschneiden, was Regisseur Nuran David Calis auch recht gründlich tut, wobei er das Basis-Setting beibehält: Medizinstudenten und Jungdichter mit einer gewissen sexuellen Libertinage sowie ein einfaches Mädchen, das sich ausnutzen lässt; schließlich der Selbstmord einer aus der Clique. Da ist die nihilistische Desiree (fiebrig: Barbara Hirt), die eher bürgerliche und dominante Marie (Nadja Robiné), der Möchtegerndichter Petrell, der zynische Reichenzögling Freder (kalt-eklig: Nicola Mastroberardino), die grundlustige Irene. Zwischen gestapelten weißen Wohnquadern und im Licht teils sehr einfallsreicher Projektionen (Bühne Irina Schicketanz) experimentieren die angehenden Mediziner an ihrer Seelenlage und ihren Beziehungen herum, was mit ein paar Ausnahmen originalpathetischer Reste die Stimmungslage und den Schnodderjargon innerlich desorientierter, äußerlich karrieregerichteter bessergestellter Anfangszwanziger von heute ganz gut trifft. Bisweilen kann sich die Inszenierung zwischen dem Auskosten von Stimmungen und der Suche nach dramatischem Schwung nicht ganz entscheiden, auch sind die Schauspieler mit schweren Monologen in Rampennähe etwas überfordert. Doch insgesamt ist dieser Abend mehr als halbstark. Und manchmal berührend. // UDE
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01. Mrz. 2009