// Es galt als ausgemacht, dass die Art Cologne nur noch in der Regionalliga spielen würde. Zu gravierend waren die Fehler, die die älteste Messe für moderne und zeitgenössische Kunst in den vergangenen zehn Jahren gemacht hatte – mit der Konsequenz: Nationale wie internationale Sammler und Museumsleute besuchten lieber neue, ambitionierte Messen wie die Frieze Art Fair in London oder die Art Basel Miami Beach oder jetteten mal eben zur Art Dubai und strichen Köln aus ihrem Terminkalender.
Um nur einige der wichtigsten Punkte zu nennen, womit Messeleitung und Stadt die Art Cologne über Jahre systematisch heruntergewirtschaftet haben: Sie scheuten sich nicht, die Zahl der Messe-Teilnehmer von Jahr zu Jahr auf unübersichtliche 300 Galerien anwachsen zu lassen, achteten aber gleichzeitig nicht darauf, die Qualität der Aussteller auf dito hohem Niveau zu halten. Die Messe schoss ins Kraut. Auch der Umzug aus den schönen alten Rheinauhallen in die ungastliche neue Messehalle 11 wirkte sich seit 2004 negativ auf die Stimmung von Galeristen und Besuchern aus. Es gab zu viele Sonderschauen, die vom eigentlichen Messegeschäft ablenkten. Zu guter Letzt wurde auch noch der fest in den Köpfen der Kunstszene eingebrannte November-Termin aufs Frühjahr verlegt.
Nehmen sich die Entscheidungen der Messeleitung einzeln betrachtet vergleichsweise harmlos aus, waren sie doch zusammengenommen mit der schwerwiegenden Fehleinschätzung der Stadt Köln, mit der Verlegung der Bundeshauptstadt von Bonn nach Berlin werde sich für die Domstadt wenig ändern, folgenschwer. Das neue Machtzentrum der Republik hatte einen Exodus aus dem Rheinland zur Folge. Verbände, Vereine und andere Einrichtungen aus Politik, Wirtschaft und Sport siedelten nach Berlin über. Die Kunstszene folgte: Max Hetzler war 1994 einer der ersten Galeristen, der das einstige internationale Kunstmarkt-Zentrum Köln verließ und an der Spree Räume bezog. Es dauerte nicht lange, da residierte ein wesentlicher Teil der ehemals Kölner Galerien in Berlin. Der Fotogalerist Rudolf Kicken gehörte ebenso dazu wie André Buchmann, Rafael Jablonka, Johnen und Schöttle. Vor einigen Monaten entschieden sich auch die renommierten Galerien Sprüth & Magers und Gisela Capitain, Köln den Rücken zu kehren.
Auch Künstler aus dem In- und Ausland packten ihre Staffeleien, Werkzeugkoffer und Computer in ihrer Heimat ein und packten sie in Berlin in großräumigen, preiswerten Ateliers wieder aus. Berlin ist seit fünf bis sechs Jahren das Zauberwort für alle Zeitgenossen, die im Trend liegen wollen. Und sie haben recht. Die Galerien, die sich in der Hauptstadt mit zeitgenössischer Kunst beschäftigen, sind nicht nur zahlenmäßig, sondern auch qualitativ gewaltig. Die vielen großartigen Ausstellungen, die in großen, gut ausgestatteten, häufig beinahe musealen Räumen gezeigt werden, sind weltweit einzigartig, vergleichbar nur mit der Ausstellungsdichte in New York.
Könnte man trotz einer florierenden Berliner Kunstszene nicht dennoch eine gute Kunstmesse in Köln machen? Auf den ersten Blick müsste man meinen, ja; zumal die Berliner Kunstmesse, das Art Forum Berlin, sich anfangs auf zeitgenössische Kunst beschränkt hatte und seine Qualität, was die Teilnahme der Galerien und damit auch der Künstler betraf, ohne schlechtes Gewissen als mittelmäßig zu werten war. Weswegen auch nicht alle Berliner Galerien wie Rafael Jablonka, Esther Schipper, Giti Nourbakhsch an der Messe in ihrer Heimatstadt teilnahmen.
Doch die Abwanderung der Galerien nach Berlin und die offensichtlich blühende Szene in Berlin-Mitte, Kreuzberg und Charlottenburg ließen die Schwächen der Kölner Messe noch deutlicher hervortreten. Und da auch andere Städte wie London, Dubai, Shanghai und Miami Beach Kunstmessen als Image- und Touristenfaktor entdeckten, bekam Köln immer mehr und immer stärkere Konkurrenz. Bis in die 90er Jahre hatte es nur eine ernsthafte Nebenbuhlerin gegeben: die Art Basel. Ihr gelang es aber im Laufe des letzten Jahrzehnts, unangefochtene Königin der Kunstmessen zu werden, und sie hatte daher keine Mühe, die besten internationalen Galerien gewinnen. Dazu muss man vielleicht erklären, dass es auf dem internationalen Kunstmarkt zwar unendlich viele Galerien für moderne und zeitgenössische Kunst gibt, aber nur wenige den Ansprüchen genügen, die ein eingeschworener Inner circle erhebt. Es gibt so etwas wie eine stille Übereinkunft darüber, was eine gute Galerie und was anspruchsvolle Kunst ist.
Die Kriterien freilich sind diffus: Kontinuierliche und internationale Zusammenarbeit mit Museumsleuten und Sammlern gehört ebenso dazu wie Entwicklungshilfe für junge sowie Aufbauarbeit für ältere, arrivierte Künstler. Nur wer zu den akzeptierten Top-Galerien gehört, darf auf der Art Basel und deren amerikanischer Tochtermesse, der Art Basel Miami Beach, ausstellen. Auch die Londoner Frieze Art Fair konnte sich, zumindest anfangs, die feinsten Galerien herauspicken. Alle anderen, wie die Arco in Madrid, die Fiac in Paris, die Art Brussels und die Art Cologne, müssen um die Gunst der Besten buhlen. Erfolgsverwöhnt war Köln dabei jedoch nicht gerade. Neben bedeutenden amerikanischen Galerien ließen sich auch die europäischen Trendsetter nicht wiedergewinnen.
Köln, einstmals das internationale Zentrum für aktuelle Kunst, trocknet also langsam aus. Zwar wird hier und da wieder eine Galerie eröffnet, was dann großen Jubel auslöst, aber bedeutende Namen siedeln sich nicht mehr an. Wenn sie nicht dem Berliner Sog erliegen, beziehen sie ihre White Cubes lieber in Brüssel, wie die legendäre Barbara Sonnabend Gallery aus New York.
Zu spät haben die kommunalen Politiker, die im Aufsichtsrat der Köln Messe sitzen, gemerkt, dass ihre Kunstmesse nicht mehr angesagt ist. Im Frühjahr 2003 holten sie dann, es war schon fünf nach Zwölf, Gérard Goodrow. Der ehemalige Mitarbeiter des Londoner Auktionshauses Christie’s sollte die Messe vor dem Abstieg in die Regionalliga bewahren und Kölns Ruf als Kunstmarkt wieder zum Klingen bringen. Aber wie? Zwar befand sich der Kunstmarkt damals in einem nie dagewesenen Aufwärtstrend, doch die Art Cologne hatte verschlafen, sich daran zu beteiligen. Den Kuchen hatten Basel, Miami und London längst unter sich aufgeteilt. Erschwerend hinzu kam das finanzkräftige Verlangen asiatischer und arabischer Sammler, sich auch an Kunstkäufen berauschen zu dürfen. Denn das Werk eines Andreas Gursky, Neo Rauch, Damien Hirst oder Jeff Koons zu besitzen, versprach nicht nur Sozialprestige, sondern auch ungeheuere Rendite. Mit etwas Glück ließ sich innerhalb von zwei, drei Jahren der Einsatz verzehnfachen. Kunst wurde zur Spekulationsware. Das hatte zur Folge, dass Boom-Städte wie Shanghai und Dubai europäische Messemacher beauftragten, in ihrem Kunstniemandsland Messen zu organisieren. Die Szene verlor dabei alle Skrupel, denn dass Kunstwerke, um ausgestellt zu werden, erst Chinas Zensurbehörden passieren oder sich islamischen Keuschheits-Idealen beugen mussten, wurde ignoriert. Es herrschte Goldgräberstimmung.
Aber trotz solcher rauschhafter Zeiten gelang es Goodrow nicht, die Art Cologne wieder zum El Dorado zu machen. Er musste gehen, nachdem heimische Galeristen (die meisten von ihnen zogen kurz danach nach Berlin) seinen Rücktritt forderten. Zu zögerlich hatte er versucht, die Probleme zu lösen, vielleicht auch, weil die Stadt immer noch nicht verstanden hatte, dass er starken Rückhalt in der Politik benötigt hätte.
Selbst die Suche nach einem Nachfolger wurde zum Debakel. Einige Monate verstrichen, bis Daniel Hug präsentiert wurde. Der amerikanische Galerist mit österreichischen Vorfahren war jedoch nicht die erste Wahl. Ursprünglich sollte Eva-Maria Häusler, die federführend im Team der Art Basel arbeitete, gewonnen werden. Doch die winkte ab. Wer will schon ein falsch beladenes Schiff durch schwere Wetter manövrieren? Jetzt ist die Messemanagerin gemeinsam mit ihrem ehemaligen Kollegen Peter Vetsch Chefin des konkurrierenden Art Forum Berlin.
Wäre dieser Artikel im Jahr 2008 erschienen, hätte er möglicherweise geendet mit dem traurigen Fazit: Die Regionalisierung der Art Cologne ist nicht aufzuhalten. Doch seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers hat sich die Situation aller Märkte fundamental verändert. Die Wirtschafts- und Finanzkrise zeigt ihre ersten Auswirkungen am Kunstmarkt. Zeitgenössische Kunst verkauft sich nur noch schleppend und zu dramatisch reduzierten Preisen. Viele Galeristen entlassen Mitarbeiter und geben Filialen auf. Die ersten Messen nach Beginn der Krise, Frieze Art London und Art Basel Miami Beach, meldeten zwar Verkäufe; doch wenn erfolgsverwöhnte Galeristen davon sprechen, es gehe jetzt wieder mehr um die Kunst und weniger ums Kapital, heißt das wohl nichts anderes als: Der Kunstmarkt liegt am Boden.
Wer aber wenig verdient, muss sich genau überlegen, auf welcher Messe er seinen Stand aufbaut. Da nur wenige handverlesene Galeristen einen Platz in Basel bekommen, liegt es nahe, sich mal wieder an den Standort Köln zu erinnern. Im Rheinland und in den angrenzenden Beneluxländern leben nach wie vor viele ernsthafte Sammler, für die Kunst kein Rendite-Objekt ist, die also weiter kaufen – oder wieder kaufen, weil die Preise endlich auf einem angemessenen Niveau angekommen sind. Zudem sind in Köln Standmieten und Nebenkosten preiswerter als in Metropolen wie London, Basel, Paris oder Miami.
Im letzten Jahr hat Daniel Hug begonnen, die Weichen neu zu stellen, damit die »Mutter aller Kunstmessen« wieder qualitätvoller wird. Er hat einen internationalen Beirat eingerichtet, der über die Qualität der Teilnehmer wacht. Darunter sind Darren Flock (Galerie Hotel, London), Niklas Svennung (Galerie Chantal Crousel, Paris), Hendrik A. Berinson (Gallery Berinson, Berlin), Christian Nagel (Gallery Nagel, Köln/Berlin), Valery Carberry (Carberry Gallery, Chicago) und Hans Mayer (Galerie Hans Mayer, Düsseldorf). Des weiteren wurde die Zahl der Aussteller auf 180 begrenzt. Auch von Seiten der Stadt gibt es mehr Unterstützung. So ist es schon ein Gewinn, dass Hug sich nur um die Art Cologne und nicht, wie Goodrow, auch noch um die anderen Kölner Kunstmessen kümmern muss.
Erste Früchte trägt Hugs Arbeit und die seines Beirats bereits. So kommen in diesem April beispielsweise Michael Werner (Köln, Berlin, New York), Annely Juda (London) und Lahumiere (Paris) wieder zurück. Auch ist es Hugs guten Verbindungen in die junge Szene zu verdanken, dass wieder mehr internationale Galerien wie Hotel (London), Frank Elbaz (Paris), Redling Fine Art (Los Angeles) dabei sein werden. Es gibt also wider Erwarten Hoffnung auf eine Renaissance der Art Cologne. Es wäre schon viel gewonnen, wenn sie sich in den folgenden Jahren als Nummer Eins in der zweiten Reihe des internationalen Messegeschehens etablieren könnte. //
Die Art Cologne findet von Mittwoch, 22. April, bis Sonntag, 26. April, täglich von 12 bis 20 Uhr auf dem Messegelände Köln-Deutz, Halle 11 statt.