Am 19. August 1936 wurde der andalusische Dichter Federico García Lorca in der Nähe von Granada erschossen. Seine Mörder waren Franco-Faschisten, Lorca hatte gerade seinen 38. Geburtstag gefeiert. Hatte er vorher gelebt? Er war ein angesehener Dichter, Leiter eines Wandertheaters, seiner Stücke, vor allem seiner Lieder wegen wurde er auch von einfachen Leuten verehrt. War er glücklich gewesen? Er kannte keine Geldsorgen, aber er kannte auch die Liebe nicht, die erfüllte. Lorca blieb, im doppelten Sinne, ledig – so ledig wie Doña Rosita, die 25 Jahre lang sehnsuchtsvoll und vergeblich auf die Rückkehr ihres Verlobten wartet: »Doña Rosita bleibt ledig oder Die Sprache der Blumen«, heißt Lorcas zartes Theaterstück von 1935, in dem der Dichter nicht nur das Gefühlsgefängnisleben spanischer Frauen der Jahrhundertwende, sondern – unterschwellig – auch das homosexueller Männer seiner Zeit anklagt: verwelkende Blumen.
Hat man Lorca vor seinem Tod gefoltert? Auf jeden Fall hat er von seinem Sterbenmüssen gewusst, er wurde, gemeinsam mit weiteren Opfern, gezwungen, sein eigenes Grab auszuheben. Welche Gedanken werden dem Dichter in der letzten Viertelstunde durch den Kopf geschossen sein, welche Bilder, Figuren? Seine Mutter gewiss, seine Amme, Freunde wie Luis Buñuel, Salvador Dalí, Mañuel de Falla, Luis Rosales Camancho, aus dessen Haus man ihn zerrte. Aber auch sicherlich Bilder aus seinen Gedichten sowie Figuren seiner Stücke wie jene Doña Rosita, die für Lorca, meint Roberto Ciulli, eine Identifikationsfigur gewesen sein muss: verwelkende Rose. Für die RuhrTriennale hat der Mülheimer Regisseur jetzt die letzten Minuten des Federico García Lorca zu einem Theaterabend gedehnt, hat Werk und Leben des Dichters, die beide ohnehin stark verwoben waren, zusammengeführt in einer Art Lorca-Haus, durch dessen Räume die geliebte Musik des Andalusiers weht. Hat Texte und Szenen aus Lorcas vielen Theaterstücken, vor allem der »Doña Rosita«, zu einer »Tragödie ohne Titel« verbunden. (»Komödie ohne Titel« heißt eines der nachgelassenen Stücke des Ermordeten.) Zu einem Epitaph für eine Rose.
»Von allen Lebewesen, denen ich begegnet bin, steht Federico für mich am höchsten. Ich spreche nicht von seinen Stücken und seinen Gedichten, ich spreche von ihm. Er selbst war das Meisterwerk.« (Luis Buñuel) | UDE
»Tragödie ohne Titel«, Premiere 23.9., Theater an der Ruhr, Mülheim. Termine: bis 8.10. Ticket-Hotline: 700.20 02 34 56; www.ruhrtriennale.de