// Franz Xaver Kroetz’ »Wunschkonzert« ist ein Solo zum Tode. Und in gewisser Weise eine Antwort auf Becketts »Das letzte Band« – eine Erinnerungsspur, ein Verzicht, die Entleerung des Lebens, der Angriff einer unabänderlichen Gegenwart auf die innere Verfassung. Eine Frau kommt nach Hause, verbringt ihren Abend, richtet sich das Essen, füttert die Goldfische, raucht, sieht fern, hört Radio, wiegt sich zur Habanera, betrachtet sich im Spiegel, räumt säuberlich alles an seinen Platz, geht zu Bett, steht mitten in der Nacht auf und schluckt ein paar Dutzend Tabletten. Was ist die Ursache dieser Tat? Kroetz charakterisiert sein Stück als »Vorschlag zur Darstellung eines Sachverhalts«, aus dem Impuls heraus, die Ausbeutung des Menschen durch eine entfremdete Existenzform zu schildern.
Im Schauspielhaus Köln macht die englische Regisseurin Kati Mitchell bei ihrem Deutschland-Debüt alles anders als erwartet. Sie multipliziert die Frau und spaltet sie auf. Vier Darstellerinnen teilen sich zwischen Totale und Großaufnahme in die Figur, ihre letzten Stunden und Gedanken, die sich in nur wenigen Monologen und mehr im Tun, in der Normalität und Banalität des sich reproduzierenden Alltags ausdrücken. Mehr Handgriff als Handlung. Die Aufführung belässt es bei der Entstehungszeit von »Wunschkonzert« 1971, was man an Mode, Utensilien und Einrichtung sowie daran erkennt, dass im Fernsehen Robert Lembkes Quiz »Was bin ich?« läuft. Kameras nehmen die Verrichtungen und Zurichtungen auf und projizieren sie auf eine Leinwand; an Soundstationen werden synchron und getrennt zum Hantieren die entsprechenden Geräusche imitiert. Auf der Bühne wechselt die Konzentration von Julia Wieninger, die sich im Nachbau ihrer Wohnung mit Diele, Küche, Bad, Wohn- und Schlafzimmer bewegt, zu Birgit Walter, die an einem Tisch die Gegenstände zusammenträgt, mit ihnen umgeht und die vor- und nachspielt, was ein paar Meter weiter das »wirklich wahre Leben« ausmacht, während Laura Sundermann die Texte spricht und Therese Dürrenberger ebenfalls als Teilzeitkraft beschäftigt ist.
Unsere Aufmerksamkeit gilt nicht allein dem technisch perfekt getimten Making of und minutiös organisierten Ablauf der Parallelaktionen. Die manipulative Verdoppelung der Miniaturen bekräftigt das stille Drama verfehlten, verbrauchten Lebens. Die knapp 90 Minuten sind eine einzige echte Täuschung: Konstruktion, Rekonstruktion und Destruktion. Gefilterte Wahrnehmung und segmentierte Wirklichkeit: das Gesicht der einen, traurig, stumpf und in stummer Duldung, die Stimme der anderen, die vergrößerten Gesten der dritten. Der Uhr tickt und läuft ab. Am Ende, um sechs Uhr morgens, schrillt der Wecker. Es bleiben Stillleben mit dem Antidepressivum Tofranil, einem Glas Sekt, dem Zierfischbassin – und den Pantoffeln der Frau. Das war ihr Leben. // AWI