// Als Giuseppe Verdi das historische Attentat auf König Gustav III. von Schweden aufgriff, hatte er die Sprengkraft eines Königsmords auf offener Bühne unterschätzt. Die neapolitanische Zen- sur lehnte das Werk strikt ab, und auch Rom bestand entschärfend und weichspülend auf die Verlegung der Handlung ins neutrale Boston. Heutzutage sucht man geradezu das Gegenteil: will partout Politisierung, Zuspitzung und Aktualisierung. So fand sich Verdis Opernthriller in Köln unlängst in einer Militärdiktatur wieder, während an der Berliner Lindenoper das Regieteam Wieler/Morabito das Drama in den USA beließ, allerdings in der heutigen Wahlkampf-Provinz lokalisierte. An der Bonner Oper inszenierte zur Spielzeiteröffnung nun der junge, hoch gehandelte deutsch-türkische Regisseur Immo Karaman das Werk als zeitlos gegenwärtiges Masken- und Verwirrspiel. Johann Jörgs Bühne ist ein kühl abstraktes, dunkles Gehäuse aus schwarzgrauem Metallgitter. Gänge und Türen tauchen auf und verschwinden, ein leerer Unort, zugleich Labyrinth. Das Personal trägt Anzug und Business-Kostüm im strengen Stil der 50er Jahre, Amelia verbirgt sich unter Grace-Kelly Kopftuch und mondäner Sonnenbrille.
Karaman ist es weder um historische noch konkrete Bezüge zu tun. Ihn interessiert der Maskenball als Generalmetapher: Ständig wechselnde Kostüme, Maskierungen, puppenhaft-starre Gesten und mysteriöse Doppelgänger verwischen das ohnehin Disparate und Widersprüchliche der Figuren ins Schemenhafte. Die fatale Dreiecksbeziehung Riccardo, Amelia und Gatte Renato wird so vollends rätselhaft. Als »Choreografie von Emotionen« begreift Karaman die Partitur. Dabei ist ihm seit langem der Choreograf Fabian Posca behilflich. Das ergibt durchaus starke Bilder, insgesamt leidet der Abend jedoch an seiner Übercodierung und wuchernden Einfällen. In der Ambition, das Mehrdeutige, vielleicht gar Unverständliche der Handlung möglichst lückenlos aufzuzeigen, verzettelt Karaman sich und bleibt das Warum bewusst schuldig. Dass das ganze Leben ein Maskenball und niemand der sei, den er aus- und darstellt, scheint nicht weniger dürftig als eine Schlagertextzeile.
Musikalisch lässt der Abend kaum Wünsche offen: Will Humburgs Dirigat überzeugt mit sehr pointierter, angriffsfreudiger Italianità, bisweilen ausgedünnt, dann wieder aufbrausend, immer mit Verve. Stellenweise irritieren breite Tempi, bevor es erneut vorwärts stürmt. Bei den Sängern sind die Frauen vorn: Anna Virovlansky (Oscar) tönt klar und höhen-
sicher, Irina Oknina (Amelia) leuchtet intensiv und unangestrengt. George Onianis Riccardo singt kernig markant, während Mark Morouses Renato allzu kraftvoll ans Werk geht. Verblüffend ist die formale Klammer. Dem finalen Schuss, dem Riccardo erliegt, fällt er hier schon in der Ouvertüre zum Opfer, die weißen Umrissmarkierungen des Ermordeten am Tatort kleben von Beginn an auf dem spiegelglatten Boden. // REM