// Wo John McLaughlin auftritt, sind seine Jünger nicht weit. Ebenso wie die Gitarrenfetischis-ten, die ihre Operngläser einstellen, um sich so nah wie möglich etwas von seinen Schallgeschwindigkeits-Fingern abzugucken. Objekt der Jazz-Voyeure ist zugleich stets auch eines der kaum bezahlbaren Modelle und handgefertigten Unikate, die sich nur jemand wie McLaughlin leisten kann. Im Laufe der letzten vier Jahrzehnte ist sein wertvoller Gitarrenpark entsprechend angewachsen. Ob es nun die zweihalsige Gibson SG 6/12 aus den Pionier-Jahren des Fusion ist oder die akustische Gitarre »Our Lady«, für die sich der legendäre Instrumenten-Couturier Abe Wechter gar von der Pariser Kathedrale Notre Dame inspirieren ließ.
Im Gegensatz zu Kollegen wie Wes Montgomery, die ihr Leben lang nur mit einem Sechssaiter auskamen, brauchte McLaughlin immer gleich ein neues Spielzeug, wenn es in ihm mal wieder stilbildend gärte und seine Hände langsam ungeduldig wurden. Ist das richtige Wundergerät jedoch gefunden, schnellt McLaughlin dann mit seinen inzwischen 66 Jahren so effektvoll und elastisch aus den Blöcken, wie man es von dem englischen Sprintkönig und Konditionswunder des Jazz seit jeher gewohnt ist.
Welche und wie viele Duftmarken hat er bisher nicht schon gesetzt! Ende der 1960er Jahre gehörte McLaughlin zum handverlesenen Kreis rund um Miles Davis, der damals mit seinen Platten »In A Silent Way« und »Bitches Brew« die Jazz-Rock-Manifeste einspielte. Kurz darauf gründete McLaughlin das Mahavishnu Orches-tra, das zum eigentlichen Schmelztiegel seines musikalischen Potenzials und seiner Spiritualität werden sollte. »Einflüsse von überall her nehmen«: So hat er einmal das Mahavishnu-Prinzip erklärt. »Nicht nur von Indien oder von der Rockmusik. Für mich ist das earth music.« Dieser Fusion von Jazz, Rock, Blues und indischen Klängen ist McLaughlin bis heute treu geblieben.
Immer noch duelliert er sich in atemberaubenden Tempi etwa mit dem indischen Tabla-Virtuosen Zakir Hussein, mit dem er 1975 das längst musikgeschichtsträchtige Projekt »Shakti« aus der Taufe gehoben hatte. Mit seiner aktuellen Formation 4th Dimension, mit der McLaughlin beim diesjährigen Traumzeit-Festival in Duisburg gastiert, dreht er den Zeiger noch einmal zurück, ohne sich doch ganz der Nostalgie hinzugeben. Da werden Modern Jazz-Exerzitien als Tribut an den ehemaligen Davis-Kollegen Wayne Shorter mit aktuellen Dauergrooves infiziert. Zwischendurch schlägt McLaughlin die wildesten Haken und hat entlang von Latin- und Rock-Jazz das manuell eigentlich nicht Machbare fest im Griff. »John McLaughlin verleiht der Gitarre eine universelle Macht«, staunte selbst Luciano Berio nicht schlecht.
Was den weitherzigen Neue Musik-Komponisten zu seinem emphatischen Urteil bewegte, ist nicht verbrieft. Aber wenn es um nichts mehr geht als um die reine Spielfreude, ist McLaughlin halt schon dank seiner Intelligenz und Leidenschaft eine allgemeingültige Größe. Berühmtestes Beispiel dafür ist der gut dokumentierte Showdown dreier Gitarristen 1980 in San Francisco, bei dem sich die Kollegen Paco de Lucia und Al Di Meola vom Primus inter pares John McLaughlin geschlagen geben mussten.
An diesen kommerziellen Kassenschlager ist McLaughlin nie wieder herangekommen. Dafür hat er sich mehrfach und durchaus erfolgreich auf das Terrain der Klassik vorgewagt, wo Meister ihres Faches wie der Geiger Gidon Kremer oder der Cellist Yo-Yo Ma bei ihm Stücke erbeten haben. McLaughlins musikalische Synthese aus Symphonik und Jazz, aus Neo-Klassizismus à la Strawinsky und energiegeladenen Fusion-Sounds mag vielleicht nicht unbedingt das Zeug zum Weltkulturerbe besitzen. Die kreative Formel jedenfalls, nach der er arbeitet, lautet: »Fusion muss in dir geschehen«. Sie ist das ganze Geheimnis vom ewigen Glücksbringer John McLaughlin.
Für alle, die schon jetzt darüber rätseln, was für eine Gitarre er wohl bei seinem Konzert spielen wird, sei verraten: es ist eine Black Godin LGXT mit Synthesizer-Anschluss. //
John McLaughlin & The 4th Dimension am 5. Juli 2008 beim Traumzeit-Festival; Landschaftspark Duisburg-Nord; www.traumzeit-festival.de