// Den weitesten Weg ins Neusser Globe Theatre legt Yoshihiro Kurita mit seinem Ensemble zurück, viel weiter als die »bremer shakespeare company« oder das »Poetenpack« aus Potsdam oder auch als die Gäste aus Wien, Avignon, Nevers, London und New York, von wo ein »Julius Caesar« kommt, um den Iden des März zu erliegen. Zunächst einmal reist die »Ryutopia Noh-theatre Shakespeare Company« für eine Vor- stellung aus der japanischen Hafenstadt Niigata an. Des weiteren befreit die Truppe den elisabethanischen Dramatiker aus dem barocken Wams (und der gängigen schwarzen Anzug-Mode) und kleidet ihn in Kimono und das Zeremoniell des No-Theaters – so wie es im Kino Akira Kurosawa mit »Macbeth« und »Lear« vorgemacht hat. Zum dritten hat dieses adaptierte »Wintermärchen« selbst eine lange Reise vor sich. Sechzehn Jahre überspringt das Romanzen- und Ehedrama und verbindet dabei die märchenhaften Königreiche Sizilien und Böhmen.
Zuerst ist da ein heulender, jaulender Sturm. Er liegt über dem schlichten hölzernen Bühnen-Tabernakel in warmen gelb-roten Farben und lässt das Unheil aus heiterem Himmel erahnen. König Leontes gerät außer sich, bezichtigt seine Gattin Hermione der Untreue mit seinem monarchischen Jugendfreund Polixenes, verstößt sie und die Tochter, in der er die Frucht des Ehebruchs sieht. Verwirrung und Irreführung, Verblendung und Besinnung, Maßlosigkeit und Mäßigung sind die Motive des Stücks, die Kuritas Regie zu einfacher choreografischer Ordnung konzentriert, während die Spielfläche umstellt ist von einigen Frauen mit matt scheinenden Leuchtkugeln, die Verdunkelung und Erhellung symbolisieren.
Dass dies ein Drama der Verhüllung und Enthüllung ist, zeigt sich hier auch am reichen Gebrauch der Stoff- und Gewänderbahnen. Auch wenn wir die kulturspezifischen Körper-Codes, Bewegungsformen und Sprachformeln nicht entschlüsseln können und eher an psychologische Gestaltung gewöhnt sind, hat dieses meditativ-dramatische »Wintermärchen« eindring- liche Kraft. Es lässt sich kaum besser sagen, als mit einer von Alfred Polgars Miniaturen: »Die japanische Szene ist in jedem Augenblick ein streng komponiertes Bild; wann immer die Bewegung auf der Bühne erstarren würde, wäre, was dann dort stünde, eindeutige Chiffre für den Handlungs- und Gefühlsinhalt der eben eingefrorenen Spielsekunde.«
Nach gut zwei Stunden endet die Aufführung mit einer sanft-melancholischen Klavier-Melodie, bis nur noch der volle Mond im Dunkel des Raumes steht und Werbung macht für das wiedergewonnene Glück.
Beim Shakespeare-Festival sind u.a. noch Produktionen von »Ende gut, alles gut«, »Hamlet«, »Kaufmann von Venedig«, »Romeo and Juliet« und originelle, etwas andere Fassungen von »Der Sommernachtstraum«, »Der Widerspenstigen Zähmung« und »Was ihr wollt« zu sehen. Besonderen Hinweis scheint – neben der Lecture des Theatermachers Patrick Spottiswoode – die Aufführung einer damaligen höfischen »Masque« zu verdienen, bei der Musik, Tanz und Dichtung zu bildmächtiger Harmonie finden, dargeboten vom österreichischen Alte-Musik-Ensemble »Echo du Danube«. // AWI
24. Juli bis 23. August 2008; Info und Tickets: 0180/500 18 12; www.shakespearefestival.de