// Das Gegenwartstheater wird selten aktuell vertont, zeitgenössische Komponisten bevorzugen die Klassiker. Auch der Berliner Christian Jost wählte vor drei Jahren für die Uraufführung von »Vipern« an der Rheinoper Vorlagen aus elisabethanischer Zeit, um brav entlang des konventionellen Librettos eine routinierte, etwas angestrengt expressive Musik zu schreiben. In Essen hat Jost sich eines allerorten gespielten heutigen Dramatikers bedient: Roland Schimmelpfennig. Dessen »Arabische Nacht« ist seit der Uraufführung 2001 ein Selbstläufer, dem Jost nachstellt. Nur konsequent, dass die Uraufführung als Koproduktion von Aalto und Grillo im Theater unter der beweglich gehaltenen Regie des Intendanten Anselm Weber über Jörg Kiefels raffiniert gebaute Bühne ging, während Stefan Soltesz sich das Dirigat nicht nehmen ließ. Josts solides Tonsetzerhandwerk lässt sich auf Schimmelpfennigs delikate Montagetechnik ein. In knappen 80 Minuten dampft Jost das verwirrende Geschehen im eigenen Libretto zu einem einzigen großen Ensemble ein, in dem die fünf Selbstgespräche des Stücks sich überlagern und ineinander verschwimmen. Damit soll sich das surreale Geschehen zur Logik des Albtraums runden.
Am heißesten Tag des Jahres kollabiert die Wasserversorgung in einem Hochhaus. Nur im siebten Stock duscht die mysteriöse Franziska, die schlafsüchtig ist und an Amnesie leidet. Im Traum glaubt sie sich zu erinnern, als Kind in einem orientalischen Basar entführt worden und in einem Harem aufgewachsen zu sein, wo die eifersüchtige Hauptfrau des Scheichs den Fluch des Vergessens über sie verhängte. In der schwülen Sommernacht fühlen sich gleich drei Männer getrieben, das Dornröschen wach zu küssen. Zwei Herren müssen einen grausamen Märchentod erleiden; dem knorrigen Hausmeister Lomeier obliegt es, die verwunschene Franziska ins Bewusstsein zurück zu holen.
Ein dreiteilig angeordnetes Orchester wird von Schlagwerkklängen dominiert und vom Dirigenten zu motorischem Drängen animiert. Jost bleibt seiner expressionistisch verpflichteten, sich nur moderat avantgardistischer Schärfe bedienenden Klangsprache treu und versorgt die Sänger mit dankbaren, am traditionellen Ausdrucksspektrum orientierten Gesangslinien. Es gelingt eine eingängige, überwiegend illustrierende Theatermusik. // REM